Die Berge im Zedernstaat hatte ich bis jetzt vor allem aus der Ferne gesehen. Oder vom fahrenden Bus aus. Die Tour von “Vamos Todos” sollte daher für Abhilfe sorgen. „Hiking high level“ lautet das Anforderungsprofil des Trips von Bkassine nach Jezzine. Zu einigen interessanten Gesprächen kommt es zudem beim Wandern im Libanon.
Mark Aoun hat Vamos Todos 2006 gegründet, motiviert von der Liebe zur Natur hat er sich dem Ökotourismus verschrieben. Viele Teilnehmer seiner Ausflüge sind regelmäßig dabei. Auf der Facebook-Seite der Gemeinschaft werden die Mitglieder unter anderem mit Fotos versorgt. Ich habe Mark gebeten, ein paar Fragen zu beantworten.
Mark, welches sind die attraktivsten Wandergebiete?
Das ist abhängig von der Jahreszeit. Einige Wanderwege sind im Winter toll, andere im Sommer. Der Distrikt Akkar ist eine der schönsten Gegenden, die man ganzjährig besuchen kann. Und die Zedernwälder sind natürlich zu nennen.
Wohin führen die beliebtesten Touren?
In das Qadisha Valley, eines der tiefsten und schönsten Täler des Libanon sowie nach Ayoun es-Samak und Ammouaa im Bezirk Akkar. Zu den Palmeninseln nordwestlich von Tripoli. Außerdem nach Jezzine und Naqura im Süden sowie nach Yammouneh im Nordwesten.
Was sollte man als Besucher im Libanon beachten und was empfiehlst Du außerdem?
Aus Sicherheitsgründen solltest Du darauf achten, nicht „zu reich“ auszusehen. Alleine wandern ist nicht ratsam, insbesondere jenseits der Schutzgebiete. Such Dir ein Hotel außerhalb von Beirut und bleib länger als zwei Wochen im Land, damit Du es lieben lernst.
Das Nachtleben von Beirut ist aufregend. Außerhalb Beiruts musst Du die ländlichen Gegenden und die Berge besuchen. Der Ökotourismus ist wunderbar in unserem Land.
Wie schätzt Du die Situation ein, wie sind die Auswirkungen auf den Tourismus?
Die Lage ist gut. Schau Dir Länder um uns herum an, dann siehst Du, dass der Libanon das beste Ziel ist. Es ist halt wichtig, die Grenzregionen zu Syrien zu meiden. Wir haben viele Touristen in diesem Jahr, Gott sei Dank, aber es könnte natürlich noch besser sein.
Zuvor war ich mit Vamos Todos bereits in der Bekaa-Ebene, im Weinkeller des Libanon, unterwegs. Insgesamt habe ich mich während meines Aufenthalts im Libanon dreimal organisierten Touren angeschlossen, der Besuch in Baalbek ist außerdem zu nennen. Nun sollte es also um Wandern im Libanon gehen.
Inhalte
Der Vergleich aus der Schublade
Von der „Schweiz des Nahen Ostens“ fabuliert manch Schreiberling. Warum? Weil es im Libanon auch Berge hat, und Schnee? Ist Peru dann die „Schweiz Südamerikas“, Nepal die „Schweiz Südasiens“? Manch Leser wird dieses Bild, das ihm hier ins Gehirn gepflanzt wird, nie prüfen können. Er wird das Land nicht mit eigenen Augen sehen. Gleiches wird für den einen oder anderen Verfasser solch „journalistischer Glanzleistungen“ gelten, er wird das Land selbst nicht gesehen haben. Vermutlich hat er lediglich in die virtuelle Schublade gegriffen.
“Du hast unsere Reisewarnung nicht befolgt?” ist wohl eher als Feststellung denn als Frage zu werten. Aber inhaltlich korrekt. Und natürlich kannte ich die Hinweise des Auswärtigen Amtes. Selbstverständlich sind bestimmte Empfehlungen zu beachten, so wie in anderen Ländern auch, keine Frage. Aber warum sollte man dieses spannende Land nicht bereisen? Man würde dem Libanon und seinen Bewohnern unrecht tun. Das wäre nicht klug.
Typisch deutsch?
Etwa ein Drittel der Strecke ist zurückgelegt. Und die Urheberin der Frage, die tatsächlich eine Aussage ist, outet sich als Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Beirut. Ohnehin würde sie niemandem empfehlen, den Libanon zu besuchen. Längst geht es ihr dabei nicht mehr um Sicherheitsfragen. Die Libanesen versauen ihr Land, fährt sie fort. Was für eine plumpe Oberflächlichkeit!
“Typisch deutsch“ lautet die Reaktion, als ich später an anderer Stelle von dieser Anekdote berichte. Widersprochen habe ich nicht. Zum Gespräch mit der jungen Dame in den Bergen gibt es weiter nichts zu berichten. Es war beendet, noch bevor es richtig begonnen hatte. Ich hatte ja noch gar nichts entgegnet. Nicht jeder Angehörige einer diplomatischen Vertretung scheint jedenfalls auch etwas von Diplomatie zu verstehen.
Erst Frühstück, dann Hiking “high level”
Am Morgen starten wir von einem kleinen Dorf aus, mitten im Kiefernwald, dem größten des Landes. Dort füllen wir unsere Energiespeicher auf, vor der kräftezehrenden Tour gibt es Frühstück.
Drei Stufen standen zur Auswahl. Stufe 6 (“high level”) ist die anspruchsvollste Variante, 14 km bergauf, bergab durch die abwechslungsreiche Landschaft. Stufe 4 und Stufe 2, die Alternativen, beinhalten jeweils geringere Anforderungen, was Länge und Schwierigkeitsgrad betrifft. Für jeden ist etwas passendes dabei.
Und die Tour hält, was ich mir von ihr versprochen habe. Der Blick aus unterschiedlichen Perspektiven ist großartig. Im Vergleich mit dem lauten und hektischen Beirut zeigt sich der Libanon hier von einer ganz anderen Seite. Natur. Weite. Ruhe. Ja, auch das Wandern im Libanon ist eine feine Sache.
Begegnungen in den Bergen
Apropos Ruhe, die wird nur selten gestört. Einmal überqueren wir eine Straße, die aus den Bergen hinab führt. Ein Auto kreuzt unseren Weg. Unschwer ist zu erkennen, was die Insassen hierher geführt hat. Sie kommen von der Jagd.
Insbesondere die Steigungen fordern ihren Tribut, unsere Gruppe zieht es nach jedem Halt wieder auseinander. Später knallt es in der Ferne. Die Gegend ist sicher, hieß es zuvor. Ist sie es etwa doch nicht? Ein, zwei Kilometer weiter folgt die Aufklärung. Halbwüchsige versuchen sich an Schusswaffen, angeleitet von Erwachsenen.
Ich muss einen Tag zurückdenken. In der Nähe von Beirut war ich ebenfalls auf Jugendliche gestossen, auch sie wurden im Gebrauch von Waffen unterrichtet. “Wir müssen lernen, uns nicht länger gegenseitig umzubringen” sollte ich später im Gespräch mit dem Künstler Jean-Marc Nahas hören. Da ist was dran.
Zum Abschluss, 14 km liegen hinter uns, steht ein Abstecher nach Jezzine auf dem Programm. Ein Spaziergang durch das ruhige Städtchen mit seinen kürzlich restaurierten Souks. Auch der heiligen Jungfrau, offensichtlich ein beliebtestes Wahrzeichen, statten wir einen Besuch ab.
Bier und schöne Frauen
Bevor es anschließend zurück nach Beirut geht, machen wir Rast. Ein kaltes Getränk oder einen kleinen Imbiss haben wir uns wahrlich verdient. „Überraschend populär, selten gut“ weiß DIE WELT über arabisches Bier zu berichten. Almaza kann sie damit nicht meinen, das schmeckt und ist wunderbar erfrischend.
Stichwort „Bier“. Martine war schneller gewesen als ich. Sie hatte bereits zuvor irgendwo eine Dose Bier aufgetrieben. Deutsches Bier wohlgemerkt. Jetzt sitzen wir zusammen am Tisch und Marianne, ihre Schwester, fragt, was mir am Libanon am besten gefällt. Die schönen Frauen, sage ich, und vom Bier schwärme ich. Zu oberflächlich, meine Antworten? Ach was. Gut, ich hätte zwar weiter ausholen können, aber charmant war ich doch. Gegenüber dem Almaza. Und gegenüber den sympathischen Schwestern auch. Und es war schließlich die Wahrheit, in diesem Moment.
Wandern im Libanon: Fragen zum Abschluss
Von Marianne wollte ich im Gegenzug dann aber doch etwas mehr wissen.
Was sollte ich als Besucher über den Libanon wissen, Marianne?
Wir Libanesen freuen uns über ausländische Besucher, viele von uns sind in der Lage, sich in mehr als drei Sprachen mit ihnen zu unterhalten. Besucher sollten wissen, dass unser Land, obwohl gar nicht so groß, eine enorme Vielfalt bietet. Unterschiedliche Orte, Kulturen, Religionen. Die Landschaft mit Küste, Bergen und Tälern ist vielseitig und bietet zu jeder Jahreszeiten ein neues Bild, wenn man sie mehrmals besucht.
Was magst Du an Deinem Land am meisten?
Die Natur und eben auch diese Vielfältigkeit. Du kannst innerhalb von einer Stunde im Meer schwimmen und anschließend in den Bergen Ski laufen. Ich habe das gerade am letzten Sonntag gemacht.
Hast Du Lieblingsorte außerhalb des Libanon?
Ich war noch nicht so viel im Ausland bisher. Als Architektin mag ich gotische Kathedralen, in Frankreich habe ich viele gesehen, in Paris und in Tours. Ich hoffe, ich kann mit Vamos Todos bald auch Österreich besuchen. Und nach Italien möchte ich, wegen der Architektur, die ich auf Fotos gesehen habe. In anderen Ländern reizt mich natürlich ebenso die Natur, mich zieht es auch dort in die grünen Regionen.
0 Kommentare zu “In den Bergen des Südens: Wandern im Libanon”