Schnee liegt wie ein weißer Teppich über der Stadt. Es ist Winter in Hannover. Ein Streifzug durch vertrautes Terrain. Sightseeing in meiner Heimat mit Geschichten um interessante Orte – einige bekannt und andere weniger. Ergebnis: ein hannöverscher Bilderbogen, geeignet auch als kleiner Stadtführer, und das nicht nur im Winter.
Barbusige Meerjungfrauen und grimmig dreinblickende Seeungeheuer, was für ein wunderlicher Blickfang! Die verwitterten grünlich-schwarzen Figuren zieren die Königsworther Brücke, die über die Leine führt. Sie bilden vier Säulen, die ganz oben jeweils in drei Laternenarme verzweigen. Ein Künstler aus der Region hat die Kandelaber mit den Fabelwesen im Jahr 1898 gestaltet und inzwischen steht die Brücke komplett unter Denkmalschutz. Warum ich gerade hier meinen Fotowalk durch das winterliche Hannover starte? Es ist naheliegend, denn ich wohne hier. In der Calenberger Neustadt, wenige Meter von der prachtvollen Brücke entfernt, die vermutlich kein Reiseführer erwähnt, obgleich sie ganz sicher die schönste in der ganzen Stadt ist.
Inhalte
- 1 Salsa und Woodstock am Ihmeufer
- 2 Pizza und Kultur im Lindener Industriedenkmal
- 3 Herri und Gemüseschlacht auf Dornröschenbrücke
- 4 Winterlandschaft im Georgengarten
- 5 Nikis dralle Damen
- 6 “Special feeling” für Hannover
- 7 Stippvisite in der Altstadt
- 8 Hannovers Kunstskandal der 1970er-Jahre
- 9 Dicke Luft bei Hannover 96
- 10 Capitol und Street Art an der Ihme
- 11 Bunte Bommeln am Küchengarten
Salsa und Woodstock am Ihmeufer
Hinter der Brücke biege ich ab, verlasse die weiter nach Linden führende Königsworther Straße und folge dem Weddigenufer. Ein farbenfroher Aushang gibt bei Caribbean Dance Salsa Auskunft über das Angebot der kubanischen Tanzschule. Karibische Rhythmen und heißer Tanz als Kontrastprogramm bei eisigen Temperaturen? Nun ja, warum nicht? Ein Hauch von Woodstock weht wenige Meter weiter über die Wiese am Wasser. So wird es jedenfalls Anfang August wieder sein, wenn hier und auf der anderen Seite des Flusses das Fährmannsfest stattfindet. Drei Tage dauert das alternative Musik- und Kulturfestival, es ist das größte in der Region Hannover.
Jetzt aber ist das schneebedeckte Areal verwaist und die rote Farbe der Strandbar mit dem passenden Namen Strandleben bildet einen leuchtenden Kontrast inmitten der weißen Winterlandschaft. Bald werden hier, wo Ihme und Leine zusammenfließen, wieder Sonnenhungrige in Liegestühlen chillen, während auf dem Grünstreifen nebenan gegrillt, geknutscht oder gekifft wird. Direkt gegenüber, auf der anderen Seite des Flusses, ragt der Turm der ehemaligen Bettfedernfabrik in den Himmel. Das restaurierte Kesselhaus ist ein Relikt aus der Zeit, als Linden noch eine Industriestadt vor den Toren Hannovers war.
Das Industriedenkmal ist inzwischen ein Wahrzeichen des Stadtteils, der erst vor knapp 100 Jahren nach Hannover eingemeindet wurde. Hin und wieder kann die eindrucksvolle Anlage auch besichtigt werden, etwa während des Denkmaltages in Hannover.
Pizza und Kultur im Lindener Industriedenkmal
Seitenwechsel. Die Justus-Garten-Brücke führt mich hinüber auf die andere Seite der Ihme. Vorbei am ehemaligen Industriegelände, das neben dem erwähnten Kesselhaus noch mehr zu bieten hat: unter dem etwas martialisch anmutenden Namen Faust ist hier eines der größten hannoverschen Kulturkonzepte zu Hause, mit künstlerischen, sozialen und politischen Projekten. Als Veranstaltungszentrum steht Faust zudem für Konzerte, Disco und Café, Kultcharakter hat der Pizzaladen Günes und der jetzt im Winter natürlich geschlossene Biergarten Gretchen mit seinem rustikal-gemütlichen Charme ist der schönste seiner Art in Hannover. Fans von Street Art kommen ebenfalls auf ihre Kosten, auf dem Gelände ist allerlei buntes zu entdecken. Ganz schön vielseitig also, dieses Kulturzentrum Faust, im Übrigen die Abkürzung für Fabrikumnutzung und Stadtteilkultur.
Nur kurz ist mein Abstecher Richtung Linden, nach wenigen hundert Metern wechsele ich erneut die Seite. Über die Dornröschenbrücke geht es zurück, sie verbindet Linden mit den Herrenhäuser Gärten sowie der Nordstadt und somit auch der Leibniz Universität.
Herri und Gemüseschlacht auf Dornröschenbrücke
In den wärmeren Monaten ist die Brücke mit dem märchenhaften Namen ein kultiger Treffpunkt, dann wird als Sundowner hier Gerstensaft aus der Region, Herrenhäuser, kurz nur Herri genannt, verkostet. Einmal im Jahr aber mutiert der sonst eher beschauliche Ort zum Schauplatz einer wilden Schlacht. Wenn Lindener auf Nordstädter von gegenüber treffen, dient faules Obst und gammliges Gemüse als Waffe (Fotostrecke). Nun hat das glitschige Gemetzel zwischen den Rivalen zuletzt zwar zweimal nicht stattgefunden, aber vielleicht kommt es ja in diesem Jahr zur Neuauflage der traditionellen Gemüseschlacht.
Die Bildergeschichten von Max und Moritz gehören zu den berühmten Werken Wilhelm Buschs. Der Urvater des modernen Comics stammt aus dem Schaumburger Land, westlich von Hannover. Und auch wenn es den Dichter und Zeichner gelegentlich in die Ferne zog, so ist er anschließend doch immer wieder ins heimische Niedersachsen zurückgekehrt. An der hannoverschen Leibniz Uni, nur wenige hundert Meter entfernt, hat er studiert und nun steht das nach dem berühmten Mann benannte Wilhelm-Busch-Museum hier im Georgengarten. Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, so lautet der eigentliche Name. Eine bedeutende Sammlung von Arbeiten des Meisters und dazu wechselnde Ausstellungen anderer Künstler machen das Georgenpalais zu einem von vielen interessanten Museen Hannovers.
Winterlandschaft im Georgengarten
Der Georgengarten ist eine große Parkanlage mit weitläufigen Rasenflächen. Eine grüne Oase, jetzt allerdings mit einer dichten Schneedecke überzogen. Wenige hundert Meter weiter sorgt der barocke Große Garten sicher auch jetzt im Winter für interessante Motive. Die Anlage aus dem 17. Jahrhundert, ebenso wie der Georgengarten gehört sie zu den Herrenhäuser Gärten, zählt zu den bedeutendsten ihrer Art in Europa. Und im nahen Berggarten locken neben exotischen Planzen sogar wärmere Temperaturen. Ich aber habe andere Ideen für die Fortsetzung meiner Exkursion durch das winterliche Hannover.
Über die Herrenhäuser Alle, sie durchzieht den Georgengarten auf einer Länge von fast zwei Kilometern, geht es in die entgegengesetzte Richtung. Weg von den Herrenhäuser Gärten, die zu Hannovers bekanntesten Sehenswürdigkeiten zählen, zum Königsworther Platz. Hier wäre ich jetzt wieder zu Hause und könnte die Kälte gegen die heimische warme Wohnung eintauschen. Ein verführerischer Gedanke, den ich jedoch schnell verwerfe, denn ich möchte noch weitere Impressionen der verschneiten Stadt einfangen.
Nikis dralle Damen
Ich folge der Brühlstraße, die wenig später in das Leibnizufer übergeht. Und während sich dort linkerhand die Altstadt befindet, sind direkt an der Straße, also am Leineufer, einige bunte Plastiken nicht zu übersehen. Die Nanas, drei dralle Damen, für die Niki de Saint Phalle, eine Künstlerin mit französischen und US-amerikanischen Wurzeln verantwortlich ist. Samstags findet hier, auf beiden Uferseiten, der hannoversche Flohmarkt statt, er ist der älteste in Deutschland. Die farbenfrohen Figuren wurden 1974 aufgestellt, das nahe Niedersachsenstadion war im selben Jahr ein Schauplatz der Fußball-Weltmeisterschaft. Fußball hat Tradition in Hannover, mindestens seit 1896, und auch, wenn es um solche Großereignisse geht, ist die niedersächsische Landeshauptstadt stets dabei. 32 Jahre später sollte Hannover wieder zu den Austragungsorten einer WM gehören, Sommermärchen ist das Stichwort.
“Special feeling” für Hannover
Aber zurück zum aktuellen Wintermärchen und zu den schneebedeckten Nanas. Gehören die skurrilen Figuren inzwischen zu den Wahrzeichen der Stadt, gab es damals, 1974, noch einen gehörigen Aufschrei ob dieser Art von Kunst und eine Bürgerinitiative sammelte eilig tausende von Stimmen gegen die provokanten bunten Weiber. Niki de Saint Phalle, die kreative Feministin, Weltbürgerin zwischen New York und Paris, dürfte es amüsiert haben, wie kleinkariert die selbsternannten hannöverschen Moralapostel auf ihr Werk reagierten.
Nun waren wohl die 1970er-Jahre aber auch noch eine andere Zeit, ein weiterer kurioser Fakt macht es deutlich: tatsächlich noch bis 1978 wurde Adolf Hitler als Ehrenbürger Hannovers geführt, dann erst wurde der Obernazi aus der Liste endlich ausradiert. Zur Ehrenbürgerin wurde auch Niki de Saint Phalle, mit vollem Namen eigentlich Catherine Marie-Agnès Fal de Saint Phalle, später ernannt. Nämlich im Expo-Jahr 2000, Hannover war Schauplatz der Weltausstellung. “I have a very special feeling for Hannover”, so bekundete die Künstlerin ihre besondere Beziehung zu der Stadt, aus der ihre Nanas inzwischen nicht mehr wegzudenken sind, urbane Kunst ist längst salonfähig geworden.
Nachholbedarf hat man in Hannover jedoch offensichtlich noch in anderer Hinsicht: Niki de Saint Phalle, 2002 in San Diego verstorben, war seinerzeit die erste Frau, der die Ehrenbürgerschaft angetragen wurde. Auch im Jahr 2018 ist sie noch immer die einzige!
Stippvisite in der Altstadt
Ein Abstecher auf die andere Seite der Leine zeigt mir schließlich auch die Altstadt von ihrer winterlichen Seite. Ein kurzer Blick auf die Fachwerkhäuser und auf die Marktkirche, der Backsteinbau lugt zwischen schneebedeckten Dächern hervor. Der Turm der Kirche gehört zu den interessantesten Fotospots, um die Landeshauptstadt von oben zu bewundern und um einen solchen handelt es sich auch beim Neuen Rathaus, von hier sind es von nur wenige hundert Meter dorthin.
Das schlossartige Bauwerk zählt zu den beliebtesten Touristenattraktionen und der Ausblick von der Rathauskuppel ist fantastisch. Aus knapp 100 Metern Höhe lässt sich die Stadt überblicken, inklusive des Maschsees natürlich und der Eilenriede, des größten Stadtwaldes in Europa, er ist beinahe doppelt so groß wie der Central Park von New York. Auf seiner Südseite ist das ohnehin äußerst fotogene Neue Rathaus in den jetzt schneeweißen Maschpark eingebettet, jedoch stellt sich heraus, ich bin nicht up to date. Die hintere Fassade des mächtigen Gebäudes offenbart sich nämlich als Baustelle mit Gerüst und weißen Planen. Die Absicht, das ansonsten prächtige Objekt fotografisch in Szene zu setzen, ist so natürlich eingeschränkt, zu sehr ist die Attraktivität beeinträchtigt.
Hannovers Kunstskandal der 1970er-Jahre
So geht es ein paar Schritte weiter, zum Maschsee, zu dessen nördlichem Ufer, wo ein weiteres Kunstwerk mit “1970er-Jahre-Vergangenheit” zu finden ist.
Hellebardier lautet der Name der stählernen Skulptur mit der auffällig roten Farbe. Nun ist ein Hellebardier eigentlich ein mit einer mittelalterlichen Waffe, eben einer Hellebarde, ausgestatteter Kämpfer. Was es mit diesem Recken auf sich hat? Den Künstler kann man nicht mehr zur Idee seines Werkes befragen, der ist 1976 verstorben, vier Jahre nach Aufstellung des abstrakten Gebildes. Standort des Kunstwerks war übrigens zunächst der Opernplatz, von wo es jedoch bald wieder entfernt werden musste. Grund waren massive Proteste der Öffentlichkeit, das damals offenbar ziemlich spießige Hannover hatte einen handfesten Kunstskandal. Zwei Jahre später sollte er seine Fortsetzung finden, womit wir wieder bei den bunten Nanas wären.
Dicke Luft bei Hannover 96
Über dem Stadion auf der anderen Seite des Maschsees hängen dunkle Wolken. Trotz blauen Himmels. Denn ungeachtet sportlicher Erfolge gibt es Zoff. Was ist da los? Stefan Scherer, Rechtsanwalt und Notar, ist dicht dran am Thema, ganz im Gegensatz zu mir, denn ich bin ja meist irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs. Ihn habe ich daher zu den Gründen befragt. Es gehe um den Präsidenten und gleichzeitigen Investor Martin Kind. Der wolle den Profifußball, also das Kernstück von Hannover 96, für sich und seine Erben, womit er alle anderen zu passiven Konsumenten seines Produkts mache. Dabei gebe es viele Menschen, die als Vereinsmitglied ein Teil von 96 bleiben möchten, um sich zu engagieren, mitzudiskutieren und abzustimmen. Und genau deswegen habe sich eine breite Opposition gebildet, unterstützt von Menschen aus allen Altersgruppen und sozialen Schichten.
Und was sind die konkreten Vorwürfe gegen den Präsidenten Kind? Stefan berichtet, dem Verein seien Vermögenswerte ohne angemessene Gegenleistung entzogen worden. Umfangreicher Immobilienbesitz etwa und die Marken- und Namensrechte. Außerdem ließen undemokratisches Verhalten und Geheimniskrämerei Zweifel an der Redlichkeit der handelnden Personen aufkommen. Und was will die Opposition erreichen, was ist das Ziel? Im Verein müsse ein Aufsichtsrat installiert werden, der seine Kontrollaufgaben auch tatsächlich wahrnehme. Die Namens– und Markenrechte müssten wieder dem Verein gehören und Transparenz, Wertschätzung, Demokratie und Gleichberechtigung wieder zu wichtigen Punkten werden, erkläutert Stefan Scherer.
Wohin kann die Reise also gehen für die Roten, wie die Fußballer von Hannover 96, Deutscher Meister 1938 und 1954 sowie Pokalsieger 1992, traditionell genannt werden? “Ich bin überzeugt davon, dass ein von seinen Mitgliedern getragener und von seinen Führungspersönlichkeiten demokratisch und transparent geführter Traditionsverein eine sportlich und wirtschaftlich positive Zukunft hat – und dazu nicht in das Privateigentum eines Unternehmers übergehen muss” sagt Stefan Scherer, der Rechtsanwalt und Notar, der sich selbst an unterschiedlichen Fronten für die gute Sache engagiert. Und dann werde der Verein Hannover 96 auch überregional wieder positiv wahrgenommen und für wirkliche Sponsoren als Imageträger interessant, denn derzeit sei die Außenwahrnehmung verheerend. Man darf also gespannt sein.
Es bleibt festzuhalten, Fußball ist ein wichtiges Thema in Hannover und kein Zweifel, zurzeit wird die Fanseele gehörig malträtiert. Unterdessen umrunde ich die inzwischen moderne, 1954 als Niedersachsenstadion fertiggestellte und später umgebaute Sportstätte. Es ist Zeit, an das Ende des winterlichen Spaziergangs zu denken, arschkalt ist mir mittlerweile nämlich. An der Ihme geht es zurück, der Weg am Fluss entlang führt mich vom Stadion fast direkt bis nach Hause. Zunächst aber unter der Benno-Ohnesorg-Brücke hindurch, die von der Calenberger Neustadt hinüber nach Linden führt.
Capitol und Street Art an der Ihme
Was hat es mit dem Namensgeber auf sich? Ohnesorg studierte in Berlin und wurde 1967 während einer Demo gegen den Schah-Besuch von der Polizei erschossen. Ein gezielter Schuss, anschließende Manipulationen an der Leiche und spätere Vertuschung durch die Polizei: der dramatische Vorfall liest sich wie ein schlechter Krimi. Tatsächlich war er ein wesentlicher Impuls für die Ausweitung der damaligen Studentenbewegung. Der Tod des Hannoveraners Benno Ohnesorg trug dazu bei, das Land zu verändern. Die 1960er-Jahre, was für eine Zeit!
Hinter der Brücke, auf der anderen Seite der Ihme, verlangt ein markanter Backsteinbau nach Aufmerksamkeit. Früher Heimat eines Kinos, beherbergt das unter Denkmalschutz stehende Capitol-Gebäude jetzt ein Veranstaltungszentrum. Der aufmerksame Blick fördert noch ein interessantes Detail zutage: ein Mural, das an einen legendären Künstler erinnert. Etwa ein echter Banksy in Hannover?
Weiter geht es Richtung Heimat. Aber halt, ein kurzer Abstecher muss noch sein. Rechterhand, auf dem Gelände des Unabhängigen Jugendzentrums Glocksee, gibt es ebenfalls Street Art zu bewundern. An den Mauern hier darf nämlich legal gesprayt oder gepinselt werden, viele bunte und kreative Kunstwerke sind das Ergebnis. Und auch wenn ich hier in meiner Nachbarschaft schon so manches Mal spioniert habe, ein paar aktuelle Fotos müssen sein, denn es es gibt oft etwas neues zu entdecken. Jedoch ein mühevolles Unterfangen mittlerweile, die klammen Finger sind nicht mehr ganz willig nach ein paar Stunden in der Kälte.
Bunte Bommeln am Küchengarten
Ein allerletzter Schwenk führt mich zum Lindener Küchengarten. Statt nämlich vom Ihmeufer rechts in die Königsworther Straße abzubiegen, wähle ich den Weg zur anderen Seite, über die Spinnereibrücke. Und bewundere das farbenfrohe Bild, das sich an den Bäumen zwischen Ihmezentrum, einem riesigen Betonklotz aus den 1970er-Jahren, und dem Heizkraftwerk Linden bietet. Unzählige bunte Bommeln hängen an den Zweigen. Sie sei ziemlich bekannt, erfahre ich später von Mansha Friedrich, der Künstlerin, die ihrem Werk den passenden Namen Frühlingswald verpasst hat. Ich jedoch muss gestehen, ich kannte weder Mansha bisher, noch war mir Yarn Bombing ein Begriff, so nämlich lautet die Bezeichnung für das Stricken als Kunstform im öffentlichen Raum.
Etwas Farbe wolle sie nach Linden bringen, wo die Berlinerin mittlerweile auch zu Hause ist. Den Platz zwischen Ihmezentrum und den Warmen Brüdern, so werden die drei Türme des Heizkraftwerkes gegenüber liebevoll genannt, habe sie bewusst gewählt, erzählt Mansha, denn er sei ein beliebter Treffpunkt ganz unterschiedlicher Leute. Als Schwarmkunst habe sie das Projekt umgesetzt, sie mag es, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten und diese für ihre Kunst zu begeistern. Auch die Kröpcke-Uhr, ein bekannter Treffpunkt in der hannoverschen City, und die Clementinenkirche wurden auf diese Weise schon von ihr eingestrickt. Man darf also gespannt sein, was sie als nächstes im Schilde führt. Mansha Friedrich, die Yarn-Bomberin, die früher als einzige Frau in Deutschland auch Graffiti gesprüht hat.
Hannoverscher Kunst werde ich mich demnächst wohl etwas intensiver widmen. Denn zwar konnte ich mich zuletzt mit Street Art auf den Azoren und in der tatarischen Hauptstadt Kasan beschäftigen, in der Heimat ist dafür jedoch manches an mir vorbeigegangen. Jetzt aber geht es zunächst nach Hause, es sind nur ein paar hundert Meter. Dorthin also zurück, wo wunderliche Fabelwesen auf der Königsworther Brücke warten, grünlich-schwarz und nackt. Und, im Gegensatz zu mir, gänzlich unbeeindruckt von der Kälte. Vor allem an den Händen friere ich, meine Finger sind fast zu kalt, den Schlüssel im Haustürschloss herumzudrehen.
Was bleibt außerdem von ein paar Stunden in der heimatlichen Kälte? Viel Stoff für einen winterlichen Bilderbogen, diesen kleinen Hannover-Guide, natürlich ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Dazu die für den Insider wenig überraschende Erkenntnis: Hannover ist eine Stadt mit spannenden Geschichten und interessanter Geschichte. Und vor allem: Hannover ist auch im Winter schön!
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