Seit mehr als zwei Jahrzehnten stehen die Rolltreppen in der New World Mall still. Längst überwuchert Unkraut die verrottenden Stufen, während Fische und Fledermäuse in der Ruine ein Zuhause gefunden haben. Bangkoks “neue Welt” war Thailands allererste Shopping Mall, die Besichtigung dieses Lost Place ist ein Kaufhausbesuch der ganz besonderen Art.
Mein erster Versuch, einen Zugang zu dem verwaisten Ort zu finden, entpuppt sich als Flop. Möglicherweise hatte ich das Gelände nicht sorgfältig genug inspiziert. Aber was hatte ich übersehen? An der Frontseite wird die verlassene New World Mall von einer stabilen Markise bedeckt, ein Mural sorgt für etwas Farbe auf der tristen Fläche. Neben dieser Abdeckung hat ein Witzbold eine Botschaft hinterlassen: Right Place ist dort in fetter schwarzer Schrift zu lesen. Die richtige Stelle, um das ehemalige Kaufhaus zu betreten, befindet sich hier jedoch nicht.
Inhalte
- 1 New World Mall, wie es begann
- 2 Schließung des Kaufhauses
- 3 Wasser und Moskitos im Lost Place
- 4 New World Mall wird zur Fish Mall
- 5 Urban Exploration, der zweite Versuch
- 6 Betreten des Lost Place
- 7 Entdeckungen im verlassenen Gebäude
- 8 Vom Shopping-Tempel zum Lost Place
- 9 Abriss: Das Ende der Fish Mall
- 10 New World Mall – auf einen Blick
New World Mall, wie es begann
Die New World Mall war 1982 von der Kaew Fah Plaza Company errichtet worden. Ein stattliches elfstöckiges Gebäude in prominenter Lage im “alten Bangkok”. In Banglamphu, dem historischen Viertel der Hauptstadt, ganz in der Nähe der als Backpacker-Straße bekannten Khao San Road und auch Chinatown ist nicht weit.
Nachdem ich das Gebäude von vorn unter die Lupe genommen habe, schaue ich mich als nächstes auf der Rückseite um. Hier finden sich verschiedene Marktstände, feilgeboten werden Klamotten und allerlei andere Utensilien. Und Essen natürlich – Street Food, typisch thailändisch, wie man es fast überall in den Straßen bekommt. Die Sicht auf den rückwärtigen Eingangsbereich wird von einer grünen Umzäunung verdeckt, eine Tür ist mit Vorhängeschloss gesichert. Als ich prüfe, ob sie tatsächlich verschlossen ist, erklingt sofort ein langgezogenes lautes “Nooo, nooo!”.
Aufmerksame Blicke hatten mich, den Farang, der sich hier so auffällig unauffällig herumdrückt, offensichtlich längst ins Visier genommen und nun reagiert man prompt auf meine dezenten Bemühungen. Das ganze wiederholt sich, als ich anschließend eine weitere Tür direkt neben dem Zaun checke. Sollte sich hier etwa die ersehnte Pforte zur “neuen Welt” befinden? Wieder ertönt ein lautes “Nooo, nooo!”, jedoch hatte ich bereits festgestellt, dass der Zugang ohnehin verrammelt ist. Hier ist so oder so kein Durchkommen!
Schließung des Kaufhauses
Nach fünfzehn Jahren erfolgreichen Betriebs endet die Geschichte des Kaufhauses abrupt. Nach all der Zeit stellt sich 1997 auf einmal heraus, dass es für das elf Stockwerke umfassende Gebäude tatsächlich nur eine Baugenehmigung für vier Etagen gab, Konsequenz ist die Schließung der New World Mall. Zwei Jahre später folgt bereits das nächste Unheil, ein Feuer bricht aus und zerstört das Dach. Oliver Zwahlen ist im Jahr 2000 vor Ort und erinnert sich, dass seinerzeit noch das Erdgeschoss für Verkaufszwecke genutzt wurde: “Man konnte von dort ein paar Etagen in das geschlossene Kaufhaus hinaufschauen. Als ich ein Jahr später nochmals hinwollte, war es dann aber komplett dicht” berichtet der Herausgeber des weltreiseforum.com.
Wasser und Moskitos im Lost Place
Im Jahr 2004 werden die oberen sieben Etagen schließlich abgerissen, übrig bleibt die jetzige Ruine, ein verlassenes Gebäude ohne schützende Überdachung. Das Eindringen von Regenwasser ist die logische Folge und das Nass sammelt sich nach und nach im Untergeschoss. Bald schon werden Moskitos durch die Feuchtigkeit angelockt und die Stechmücken entdecken das neu entstandene Biotop als Brutstätte für sich.
Meinen ersten Versuch, Bangkoks spannenden Lost Place zu erkunden, breche ich ergebnislos ab. Ich komme nicht weiter, zumal ich aus der Distanz feststelle, dass selbst ein Überwinden des Zaunes mich nicht weiterbringt. Das Gebäude dahinter ist nämlich verbarrikadiert, der Innenraum hinter dem Zaun wird lediglich von den Marktleuten als Abstellfläche genutzt. Ich mache mich aus dem Staub – fest entschlossen jedoch, noch einmal zurückzukommen und es erneut zu versuchen.
New World Mall wird zur Fish Mall
Pfiffige Anwohner, die fortan unter der Moskitoplage zu leiden hatten, kommen irgendwann auf die Idee, Fische auszusetzen, um sich zu schützen. Eine wirksame Maßnahme, denn die Insekten verschwinden nun wieder. Stattdessen bevölkern jetzt Barsche, Karpfen und Welse das riesige Becken im Untergeschoss des ehemaligen Kaufhauses. Die New World Mall mutiert zur Fish Mall und wird gleichzeitig zu einer Touristenattraktion. Besucher kommen, um die “Aquakultur” in Augenschein zu nehmen und man verkauft Futter an die neugierigen Gäste, damit diese die Fische füttern können. So läuft es eine ganze Weile, bis vor etwa fünf Jahren auf einmal Dynamik in die Sache kommt. Auf Facebook und auf anderen Kanälen kursieren Fotos von der ungewöhnlichen Fischwelt – das gigantische Aquarium geht viral, wie man heute sagt. Immer mehr Leute werden angelockt, was schließlich die Behörden wieder auf den Plan ruft.
Urban Exploration, der zweite Versuch
Einige Tage später bin ich erneut vor Ort, stehe wieder an der lebhaften Kreuzung in Banglamphu, an der sich das brachliegende Ausflugsziel befindet. Die Gegend ist mir inzwischen ja bereits vertraut und an der Vorderseite des Gebäudes hat sich nichts verändert. Nach wie vor ist alles dicht, aber ohnehin herrscht hier zu viel Betrieb für eine solch diskrete Operation. Wenn es überhaupt eine Chance gibt, ins Innere des verlassenen Bauwerkes zu gelangen, dann auf der Rückseite. Dort muss ich alles noch einmal gründlich ausspähen.
Nachdem die Behörden auf die Fischpopulation und das rege Interesse an dem ungewöhnlichen Großaquarium aufmerksam geworden waren, wurden Anfang 2015 etwa 3.000 Fische aus der New World Mall entfernt und an andere Orte gebracht. Aus Sicherheitsgründen war das Gebäude bereits einige Monate zuvor nochmals abgeriegelt worden, nachdem man den Zutritt eigentlich bereits seit 2011 unterbunden hatte. Eine Reparatur des Daches war im Übrigen nicht vorgesehen, das sei Sache des Eigentümers, hieß es. Stattdessen beabsichtigte man jedoch, das Wasser abzuleiten, berichtete seinerzeit die Bangkok Post.
Betreten des Lost Place
Auch auf der Rückseite sieht es kaum anders aus als beim ersten Mal. Diesmal halte ich mich zurück, rüttele nicht vergeblich an verschlossenen Türen, um mir zusätzlich auch noch den Unmut der Leute zuzuziehen. Stattdessen peile ich sorgfältig die Lage und lande schließlich in einem Durchgang zwischen der ehemaligen Shopping Mall und dem angrenzenden Parkhaus. Auch hier war ich bereits gewesen, dennoch scheint diese Spur am heißesten zu sein. Es ist die einzige Stelle, wo ich, abseits der Straße, aus dem Blickfeld der Leute gerate. Entweder finde ich hier einen Zugang oder das Abenteuer Lost Place ist gescheitert!
Auf einmal geht alles ganz schnell. Die Passage macht eine Biegung, anschließend ist die kurze Sackgasse zu Ende. Hier treffe ich auf zwei Frauen und einen Mann. War es das jetzt, würde es erneut „Nooo, nooo!“ heißen? “Where you go?” lautet die Frage stattdessen und während ich noch versuche, mein Pokerface sprechen zu lassen, zeigt eine der Frauen bereits nach oben, direkt auf die New World Mall. Ob ich mir zutraue, dort hochzuklettern? Die Gesten der drei sind eindeutig und mir wird endgültig klar, hier ist die richtige Stelle! Zudem habe ich unerwartet Unterstützung gefunden. Drei, vier Meter sind es nun noch, die zu überwinden sind. Im ersten Step geht es auf die Mauer davor, der zweite führt mich schon auf einen Vorsprung direkt am Gebäude. Hier stehe ich jetzt vor einem Durchbruch in der Wand, gerade groß genug, um mich dort hineinzuzwängen. Das Ziel ist erreicht: Ich bin drin!
Entdeckungen im verlassenen Gebäude
Die erste Überraschung: Noch immer steht das Wasser im Untergeschoss und Fische schwimmen dort auch weiterhin herum. Nicht mehr so viele wie auf den älteren Fotos, die ich gesehen hatte, aber ansonsten scheint sich nichts verändert zu haben. Von Moskitos ist dafür nichts zu merken. Nach und nach klappere ich nun die Etagen ab und das auffälligste sind zunächst die verrottenden Rolltreppen, die die Kaufhausbesucher früher zuverlässig durch das Einkaufszentrum transportiert haben. Gerade scheuche ich in der zweiten Etage einige Fledermäuse auf, die mich lautlos umschwirren, als ich aus dem Augenwinkel plötzlich noch eine andere Bewegung wahrnehme. Bin ich etwa nicht allein an diesem skurrilen Ort?
Die Aufklärung: Zwei Katzen sind die weiteren Besucher, sie sind schnurstracks auf dem Weg zur Treppe, wo es zum letzten verbleibenden Geschoss geht. Hier machen sie halt und behalten mich im Blick. Es wirkt fast so, als wollten sie sagen, los komm her, das war noch nicht alles. Und natürlich lasse ich mich nicht lange bitten, auch den Rest der Ruine zu inspizieren. Oben finde ich dann etliche Graffiti und Wandmalereien, die noch aus der Zeit stammen, als das Gebäude einfacher zugänglich war. Bei den meisten Motiven haben sich die Künstler ganz offensichtlich von den tierischen Bewohnern der New World Mall, Fischen und Moskitos, inspirieren lassen.
Nachdem ich zu guter Letzt noch kurz auf das Dach des Gebäudes gestiegen war, geht es unten anschließend durch das Loch in der Wand wieder hinaus. Und, schwups, schon stehe ich draußen wieder vor dem Gebäude, wo meine “Helfershelfer” noch immer zugange sind und mich anerkennend empfangen. Einige Tage später kehre ich noch einmal zurück, diesmal ist jedoch niemand hier und ich bin mir nicht sicher, ob ich den Zugang ohne die Hilfe der drei überhaupt gefunden hätte. Das Loch in der Wand ist von unten nämlich nicht zu sehen.
Vom Shopping-Tempel zum Lost Place
Beeindruckt zeigt sich später meine Gastgeberin in Bangkok, als ich ihr Fotos des verlassenen Ortes zeige. Für Pong ist es wie eine Reise in die Vergangenheit und die Zeitzeugin erinnert sich, dass es in dem florierenden Kaufhaus damals, in den 80er Jahren, auch Konzerte gegeben habe. Eine sehr beliebte Adresse sei die New World Mall gewesen und zudem Thailands erste Shopping Mall überhaupt (was allerdings nur dann korrekt ist, wenn man das Nightingale-Olympic am Rande von Bangkoks Chinatown außer Acht lässt). Vom angesagten Shopping-Tempel zum maroden Lost Place, was für eine Entwicklung!
Abriss: Das Ende der Fish Mall
Bangkoks bekannter Lost Place, kein Bauwerk für die Ewigkeit! Ende April 2022 berichtet The Nation über das nahende Ende. Acht bis zwölf Monate soll der gerade beschlossene Abriss des Gebäudes dauern. Ob es in den nächsten Wochen wohl möglich sein wird, doch noch einmal einen Blick in das (ehemalige) Kaufhaus der ganz besonderen Art zu werfen? Ich bin mir sicher, der eine oder andere wird sein Glück versuchen!
New World Mall – auf einen Blick
Adresse: Das verlassene Kaufhauses ist zu finden in der Chakrabongse Road, Kreuzung zur Phra Sumen Road. Für die Fahrt nach Banglamphu nutze ich selbst am liebsten das Chao Phraya Express Boot bis zum Phra Athit Pier.
Hinweis: Der Zutritt zur New World Mall ist nicht gestattet und eigentlich ja auch nicht möglich. Bei dieser Dokumentation handelt es sich daher weder um eine Aufforderung, das verlassene Gebäude zu betreten, noch um eine Anleitung dazu.
Eine Galerie mit weiteren Fotos des Lost Place schließt diese Reportage ab.
Coole Geschichte. War ich noch nie drin.
Scheint aber noch mehr Möglichkeiten zu geben reinzukommen, schau mal hier:
http://rollkoefferchen.de/suedostasien/new-world-plaza-bangkok-die-verlassene-fishmall
P.S.
Die New World Mall steht natürlich auch in unserem Buch 😉
Moin Florian, danke. Nein, mehr Möglichkeiten gibt es nicht. 😉
Ein spannender Bericht und klasse Fotos, vielen Dank dafür. Ich würde jetzt zu gerne sofort wieder nach BKK reisen. Es gibt noch immer so viel zu entdecken.
Herzlichen Dank für das nette Feedback, Angelika! 😀 Und ja, Bangkok ist schon eine spannende Stadt …
Was für eine großartige Fotoserie.
Gruß Erich 🙂
Herzlichen Dank – freut mich, dass es Dir gefällt! 😀
Das ist mit Sicherheit nicht die älteste Mall in Bangkok. Das Siam Center wurde 1973 eröffnet.
Und genau deswegen heißt es im letzten Absatz ja auch “was allerdings nur dann korrekt ist, wenn man das Nightingale-Olympic am Rande von Bangkoks Chinatown außer Acht lässt”. Denn mit Sicherheit ist auch das Siam Center nicht das älteste Kaufhaus in Bangkok, denn die Ursprünge des Nightingale Olympic gehen bis ins Jahr 1930 zurück, während das Gebäude am aktuellen Standort aus dem Jahr 1966 stammt. Übrigens alles hier nachzulesen: https://www.groovyplanet.de/bangkok-nightingale-olympic/ 😉