Für Sherry, Flamenco und andalusische Pferdezucht ist Jerez de la Frontera bekannt. Motorsportfreunden hingegen wird die Stadt auch als ehemaliger Austragungsort von Formel-1-Rennen bekannt sein. Ich kann vor allem von Erfahrungen mit Sherry und Flamenco in Jerez erzählen.
Neben Arcos und Vejer ist Jerez der dritte andalusische Ort mit dem Zusatz “de la Frontera” (= an der Grenze), den ich besuche. Es ist der Hinweis auf die Lage im früheren Grenzgebiet zwischen maurischer und christlicher Herrschaft.
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Tapas nach der Ankunft
Am frühen Nachmittag in Jerez de la Frontera anzukommen ist ideal, um schnell noch ein paar leckere Tapas zu verkosten. Bevor die Bürgersteige hochgeklappt werden und die Stadt endgültig in den Mittagsschlaf verfällt.
Beinahe menschenleer sind die Straßen, viele Geschäfte bereits geschlossen. Eine Stunde bleibt noch in der Fußgängerzone, vor der Tapasbar Tabanco Plateros. Um 16 Uhr ist hier Schluss, erst am Abend geht es weiter. Vom Busbahnhof war ich direkt dorthin geeilt. Etwas Käse aus der Region, ein wenig Chorizo, dazu ein kaltes Bier, mehr muss nicht sein. Herrlich, wie gut das schmecken kann. Frisch gestärkt folgt der Check-in, die Pénsion San Andrés ist eine bewährte Bleibe. Ein traditionelles, landestypisches Haus. Einfach, aber gemütlich. Und günstig. Alles passt, eine gute Wahl.
Erfahrungen mit Flamenco
Flamenco als Abendprogramm hingegen ist keine kluge Idee, im Nachhinein gesehen jedenfalls. Das hätte ich mir schenken können. Zufällig hatte ich die Taberna Flamenca entdeckt. Direkt neben der Iglesia Santiago. Die sieht, renovierungsbedingt, mehr aus wie eine Baustelle denn wie eine Kirche. Die spätere Darbietung der Künstler ist zweitklassig, spricht nicht so recht an, nach 45 Minuten bereits ist alles vorbei. Und der georderte Käseteller darüber hinaus viel zu teuer. Was bleibt? Ein kurzer Moment des Ärgers. Die Einsicht, dass eine solche Touristenshow nicht lohnt. Und vor allem die Bestätigung, wie großartig ein echtes Flamenco-Event ist, wenige Tage zuvor noch in Cádiz erlebt. Das ist die Messlatte seitdem, und sie hängt sehr hoch. Zufall ist im Übrigen auch das, was sich am nächsten Tag ereignet. Ein vormittäglicher Bummel würde mich schnurstracks in eine Sherrykellerei führen, was so nicht vorgesehen war.
Jerez de la Frontera bildet das Sherrydreieck. Zusammen mit Sanlúcar de Barrameda und El Puerto de Santa María. Nur Weine aus den drei andalusischen Städten dürfen die Bezeichnung Sherry tragen. Und Jerez ist Namensgeber des Getränks, ist Sherish doch der maurische Name für Jerez. Und von Sherish zu Sherry ist es dann ja nicht mehr weit.
“Verschollen” im Sherrydreieck
Ein Gebäude hatte meine Neugier geweckt, ich wusste bis dahin noch gar nicht, wie die Kellereien ausschauen. Als ich den Innenhof inspiziere, nähert sich ein Mann. Zunächst denke ich, der Hüter des Hauses will mich, den Störenfried, des Ortes verweisen. Doch weit gefehlt, er winkt mich nur näher heran. Durchs Fenster soll ich schauen, geradewegs hinein, dort wo die Sherryfässer lagern. Sehr viele, auch wenn von außen nur vage Umrisse zu sehen sind. Und die Erläuterung in holprigem Englisch auch nicht sogleich verständlich ist.
Nur neunzig Minuten später würde ich schlauer sein. Und angetrunken. Davon, dass eine Besichtigung möglich ist, hatte ich zuvor erfahren. Nur noch eine Dreiviertelstunde, dann würde es losgehen. Gerade Zeit für ein kleines Frühstück, auf der anderen Straßenseite, Tostadas mit Tomatensauce. Ein weiterer Besucher hatte sich in der Zwischenzeit eingefunden. Und die mit der Führung betraute Dame läuft sogleich zügig vorweg, versorgt uns mit allerlei Informationen. Zu Sorten und Lagerzeiten. Und zu vielem mehr. Interessant ist der Reifeprozess: Mehrere Reihen Fässer sind übereinander gestapelt, und während unten regelmäßig entnommen wird, wird oben nachgefüllt, so das einleuchtende Prinzip.
Ich kenne den “besten Sherry der Welt” nicht
Ob ich von Lustau schon gehört habe, lautet die Frage, wohl eher rhetorischer Art. Schließlich spricht man selbst von „the best Sherry in the world“, wie ich später lesen sollte. Ich muss verneinen. Und kann mich sowieso nicht erinnern, überhaupt jemals zuvor Sherry getrunken zu haben. Die Dame scheint etwas pikiert, aber was soll ich machen, hätte ich lügen sollen?
Die Tour durch die Hallen ist schnell vorbei, geschwind geht es weiter, hinein in den Verkaufsraum, wo wir erwartet werden. Zu viert sind wir nun, eine weitere junge Dame ist die Vierte im Bunde. Sie entpuppt sich als Deutsche, das erleichtert die Unterhaltung, Jeannine ist nun für mich zuständig. Betreutes Trinken also die Devise.
Acht verschiedene Sorten Sherry stehen zur Verkostung an, mit unterschiedlichem Alkoholgehalt. Getrunken wird in aufsteigender Reihenfolge, zum Schluss der stärkste Drink. Die Folge? Ein Rausch zur Mittagszeit, das bleibt nicht aus. Wie die Gebäude solcher Kellereien aussehen, das weiß ich nun. Große Schriftzeichen an flachen Häusern, das sind die verräterischen Kennzeichen. Nicht immer sind die Bodegas noch in Betrieb, an manchen nagt bereits der Zahn der Zeit.
Im Sherryrausch zur Festung Alcázar de Jerez
Was tun anschließend? Zur Mittagszeit, berauscht vom Sherry? Siesta wäre sinnvoll, könnte man denken. Tatsächlich laufe ich zum Alcázar. Die maurische Festung ist fast menschenleer, die beste Gelegenheit für eine Besichtigung. Sherry hin, Sherry her.
Dort, außerhalb der Festungsmauern treffen sich abends Zwei- und Vierbeiner zum Socializing. Ich geselle mich hinzu, werde bald herangewunken. Eindrücke aus dem alltäglichen Leben in Jerez de la Frontera.
Authentische Impressionen gibt es auch am Vormittag, in der Markthalle, El Mercado Central de Abastos.
Jerez de la Frontera: Wieso, weshalb, warum?
Was hat mich nach Jerez de la Frontera verschlagen? Ganz einfach, mitunter günstige Flüge machen Jerez zum idealen Ausgangspunkt für eine Tour durch Andalusien. Jerez verfügt über einen von insgesamt fünf internationalen Flughäfen Andalusiens, unter anderem in Málaga und Sevilla befinden sich die weiteren.
Es lohnt sich also, nach Angeboten zu schauen. Zusätzlich macht es Sinn, auch Portugal im Blick zu haben. Von Faro ist man schnell in Spanien oder man startet zunächst in Portugal. Das hieße dann: Erst Portwein, dann Sherry, so geht es auch. Mit Bus und Bahn sind beide Länder bequem zu bereisen. Sofern nicht ein Road Trip bevorzugt wird.
So viel zu Sherry und Flamenco in Jerez de la Frontera. Zum Thema Pferdezucht kann ich nichts beisteuern. Wer sich dafür interessiert, für den dürfte die Königlich-Andalusische Reitschule in Jerez jedenfalls die beste Anlaufstelle sein.
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