Der Taj Mahal, marmornes Mausoleum und Wahrzeichen Indiens, ist eines der meistbesuchten Baudenkmäler der Welt, die berühmte Sehenswürdigkeit zieht jedes Jahr Millionen von Besuchern an. Wahre Dramen haben sich vor 400 Jahren um die Protagonisten abgespielt. Auf ihren Spuren findet sich der Taj Mahal in außergewöhnlichen Perspektiven.
Der Taj Mahal in Indien gilt als Beweis ewiger Liebe. Ob die am Bau beteiligten Männer das auch so sehen würden? Denen nämlich, Architekten sowie tausenden von Arbeitern, wurden die Finger abgeschnitten, heißt es. Nie wieder sollten sie etwas ähnlich Großartiges schaffen. Verantwortlich für die Verstümmelung: Shah Jahan, der um seine verstorbene Frau trauernde Großmogul.
Zufall ist wohl der falsche Ausdruck, man landet nicht zufällig am Taj Mahal. Nicht in Indien, einem Land, das fast zehnmal so groß ist wie Deutschland. Aber geplant war mein Besuch ursprünglich nicht. Denn erst als sich die Route vom Süden des Landes herauskristallisiert, sehe ich, dass Agra quasi an der Strecke liegt. Ein Stopp in der nordindischen Millionenstadt im Bundesstaat Uttar Pradesh bietet sich geradezu an. Dort, wo Shihabuddin Muhammad Shah Jahan, so der volle Name des Großmoguls, das Mausoleum zum Gedenken an seine Frau Mumtaz Mahal bauen ließ.
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Erster Blick auf den Taj Mahal
Vom Taj Mahal ist zunächst nichts zu sehen, als mich der Rikschafahrer in Taj Ganj absetzt. Das Viertel, einst Basar und Karawanserei, ist ein Mix aus Wohn- und Gewerbegebiet und befindet sich, das ist der Vorteil, in unmittelbarer Nähe des Weltkulturerbes.
Im Hotel Saniya Palace, das ich in einer schmalen Seitenstraße entdecke, führt man mich hinauf aufs Dach. Die Überraschung: Eindrucksvoll leuchtet der weiße Marmor des Taj Mahal in der Sonne, nur wenige hundert Meter entfernt. Hier, über den Dächern von Agra, brauche ich nur aus dem Fenster zu schauen oder vor die Tür zu treten, um das prachtvolle Monument zu bewundern. Könnte es eine passendere Herberge geben?
Rätsel um Dauer der Bauzeit
1631 stirbt die Frau von Shah Jahan bei der Geburt des vierzehnten (!) Kindes. Bemerkenswert: Das Datum, der 17. Juni, ist überliefert, während sich für die Fertigstellung des Taj nicht einmal das Jahr eindeutig benennen lässt. Mit dem Bau wird 6 Monate nach dem Tod der Lieblingsfrau des Großmoguls begonnen, das ist unbestritten. Und der Hofchronist, er sollte es eigentlich wissen, spricht in seinen Aufzeichnungen von 12jähriger Bauzeit, Fertigstellung also 1644?
Allerdings nennt eine Inschrift über dem Haupteingang das Jahr 1648. Was soll man glauben? Hinzu kommt: Gefeiert wird der 350. Geburtstag des Taj Mahal im Jahr 2004, demnach wäre das Bauwerk gar erst 1654 fertig gewesen. Wie lange hat der Bau nun tatsächlich gedauert? 12 Jahre, 16 Jahre oder sogar 22 Jahre?
Die Rückseite des Taj Mahal
Drei Zugänge gibt es, von Westen, Süden oder Osten kann man den Taj Mahal betreten. Reger Betrieb herrscht vor allem in der Gasse, die Richtung Südeingang führt. Geschäfte und Restaurants reihen sich hier aneinander. Es gibt Souvenirs. Kitsch und jede Menge Schnickschnack. Mich treibt die Neugier weiter, ich lande auf der Rückseite des Geländes und finde dort eine Perspektive, die den anderen Besuchern, die schnurstracks zu einem der drei Eingänge eilen, verborgen bleibt.
Der Taj Mahal liegt am Ufer des Yamuna, dem bedeutendsten Nebenfluss des Ganges. An dessen religiöse Bedeutung mag er zwar nicht heranreichen, hinsichtlich der Verschmutzung steht er ihm aber kaum nach. Der Yamuna gilt als toter Fluss, kein Wunder, dass ich am Ufer allerlei Unrat vorfinde. Was für ein Gegensatz zur sauber und rein wirkenden Fassade des Kulturerbes im Hintergrund! Als plötzlich eine Kuh auf der Bildfläche erscheint, ist das Klischee dann fast perfekt: Der Taj Mahal, das Wahrzeichen Indiens, und eines der vielen heiligen Tiere auf einem Bild vereint.
Morgens am Roten Fort
Am nächsten Morgen ist frühes Aufstehen angesagt. Mein Ziel ist das Rote Fort, etwa 3 km entfernt, auf einem Hügel oberhalb des Yamuna. Den Taj Mahal im Sonnenaufgang will ich mir nicht entgehen lassen.
Um viertel vor sechs erreiche ich das Fort, Namensgeber ist übrigens der als Verkleidung dienende rote Sandstein. Man erwartet mich bereits, ein vierbeiniges Empfangskomitee freut sich über den morgendlichen Besuch. Nur die Pforte zum Palastgelände ist leider noch geschlossen. Ich bin zu früh. Wie schade, denn die Sonne wird gleich aufgehen.
Zwanzig Minuten später aber ist es soweit. Es wird geöffnet. Noch bin ich der einzige Besucher, kein Mensch ist auf dem weitläufigen Gelände zu sehen. Nur ein paar Streifenhörnchen huschen herum, einige Papageien blicken neugierig auf den frühen Eindringling herab.
Als ich endlich die Stelle erreiche, von der ich in der Ferne auf den Taj blicken kann, folgt die nächste Enttäuschung: Von der Sonne, die jetzt eigentlich neben dem Denkmal erscheinen sollte, ist nichts zu sehen. Also doch alles umsonst? Mitnichten, Nebel und Wolken, die die Umrisse des Bauwerks verschleiern, sorgen für den ganz besonderen Reiz dieser geheimnisvollen Kulisse.
Möglicherweise stehe ich genau an der Stelle, an der auch Sha Jahan sechs Jahre lang auf den Taj Mahal blicken konnte, besser gesagt, blicken musste. Muhammad Aurangzeb Alamgir, einer seiner Söhne, hatte den Vater hier im Roten Fort nämlich unter Hausarrest gestellt. Und außerdem seine Brüder massakriert. Getrieben von Ehrgeiz und Machtbesessenheit. Was für eine liebevolle Familie!
Auf der “anderen Seite”
Als ich das Rote Fort wieder verlasse, steht draußen ein Tuk-Tuk, gerade so, als ob es auf mich wartete. Wohin ich möchte? Eigentlich habe ich ja vor, zu Fuss zurückzumarschieren, aber der Fahrer schlägt vor, mich auf die andere Seite des Yamuna zu bringen. Diesen Ort, direkt gegenüber vom Taj Mahal, will ich ohnehin noch aufsuchen, also werden wir uns schnell einig.
Der Morgennebel hat sich inzwischen verzogen und die Sonne steigt unaufhaltsam, mit ihr die Temperatur. 39 Grad sollen es bis zum Mittag werden, noch immer aber ist früher Morgen. Hier, gegenüber vom Taj, befindet sich eine parkähnliche Gartenanlage. Das Grün des Geländes bildet einen wunderbaren Kontrast zum in der Sonne glänzenden Weiß des Taj und zu den rotbraunen Gebäuden daneben.
Auf der Mauer, die das Ufergelände säumt, verweilt ein Paar, blickt andächtig zum Taj Mahal hinüber. Der Besuch des Monuments soll die Liebe dauerhaft machen, heißt es. Hier, an diesem ruhigen und friedlichen Ort, hat man möglicherweise den besten Blick. Um die beliebteste Stelle handelt es sich jedoch keinesfalls, Besucher scheinen kaum hierher zu finden. Möglicherweise liegt es an der Entfernung, die Brücke, die über den Yamuna führt, ist vom Taj Mahal nämlich einige Kilometer entfernt.
Genau hier hatte Shah Jahan übrigens die eigene Begräbnisstätte geplant, direkt gegenüber vom imposanten Grabmal seiner Frau. Ein schwarzes Ebenbild des Taj Mahal sollte zu diesem Zweck entstehen. Tatsächlich kommt es jedoch anders. Vom Sohn, der ihn zunächst kaserniert hatte, wird der Großmogul direkt neben seiner Lieblingsfrau Mumtaz Mahal bestattet. Im Taj Mahal, wo sonst?
Taj Mahal – gelegentlich kopiert
Auch außerhalb von Indien hat manch einen das berühmte Bauwerk zur Nachahmung inspiriert. Ahsanullah Moni, ein Millionär aus Bangladesch, hat in seinem Land eine kleinere Nachbildung errichten lassen. Auch in der Falcon City of Wonders in Dubai haben sie eine Kopie platziert. Last but not least, hat der US-amerikanische Milliardär Donald Trump in Atlantic City das Trump Taj Mahal erbauen lassen. Mehrfach hat der umtriebige Narziss mit der extremen Persönlichkeit Insolvenz mit seinem Projekt anmelden müssen. In diesem Jahr schließt das Hotel und Kasino nun endgültig. Kopien des Taj Mahal als Symbol für Pomp und Protz.
Auch Prinzessin Diana stattet dem Taj Mahal 1992 einen Besuch ab, ursprünglich gemeinsam mit Prinz Charles geplant. Der hatte nämlich zuvor geschworen, das Symbol ewiger Liebe irgendwann mit der Frau aufzusuchen, die er liebt. Was bleibt davon? Ein Foto der Princess of Wales, auf dem sie traurigen Blickes vor dem Taj Mahal posiert. Der britische Thronfolger hat seine Gemahlin schmählich allein gelassen. Und amüsiert sich längst mit einer anderen Dame seines Herzens.
Letzte Eindrücke
Die letzten Stunden, bevor mich der Zug weiter nach Varanasi bringt, nutze ich und mische mich unter die Touristenhorden. Denen bin ich bis jetzt aus dem Weg gegangen, nun aber bin ich mittendrin, stehe geduldig in der Schlange vor dem Südeingang, zuvor hatte ich an der Kasse meinen Obolus entrichtet. Als Ausländer muss ich ein Vielfaches des Eintrittsgeldes hinlegen, das Inder zahlen. Ist das fair? Jedenfalls dürfte sich wohl niemand, der die weite Reise nach Indien angetreten hat, dadurch vom Besuch des Taj Mahal abhalten lassen.
Die Sicherheitsvorschriften sind streng, in der Vergangenheit hat es Bombendrohungen gegeben. Von einer besonderen, teilweise sogar romantischen Stimmung, wie ich sie an anderen Orten rund um das Monument erlebt hatte, ist hier kaum mehr etwas zu spüren. Was die übrigen Besucher vermutlich anders sehen. Die drängeln sich bereits vor dem länglichen Wasserbecken, um eines der schon so oft gesehenen Fotos zu schießen. Ich nutze derweil die Gelegenheit, Details des Bauwerks aus der Nähe in Augenschein zu nehmen. Denn die hatte ich aus der Distanz ja bisher noch nicht begutachten können.
Und was mache ich zum Abschluss, bevor ich den Taj Mahal, eines der sieben neuen Weltwunder, wieder verlasse? Ein letztes Foto, nun ebenfalls aus seiner bekanntesten Perspektive. Anschließend lasse ich das Symbol ewiger Liebe dann endgültig hinter mir. Ein Symbol für etwas, das tatsächlich vor allem eines ist: Eine schöne Illusion.
Taj Mahal – weitere Informationen
- Öffnungszeiten, Eintrittspreise und weitere Infos: Offizielle Website des Taj Mahal
- Der Taj Mahal gehört zu den Weltwundern der Neuzeit, mehr zum Thema: 7 antike und 7 neue Weltwunder
- Unterkunft: Hotel Saniya Palace (Hinweis: nur ein Zimmer auf der Dachterrasse!)
- Indienreise: Tipps zur Vorbereitung
Hallo Wolfgang,
den Luxus der Dachterrasse mit Blick auf das Taj Mahal hatten wir leider nicht. Der erste Blick, den es für “normale” Besucher gibt ist durch das Eingangstor. Und ab dem Zeitpunkt ist man überwältigt 🙂 Für mich das schönste Bauwerk überhaupt.
http://www.blauer-knopf.de/2016/01/02/agra-heimat-des-taj-mahals/ 🙂
Hi Marc, tja, bei mir war´s ja Zufall, dass ich auf der Dachterrasse gelandet bin. Ansonsten wäre der erste Blick wohl der “von hinten” gewesen … 😉
Hallo Wolfgang,
du hast eine tolle Art und Weise, die Dinge zu beschreiben. Da habe ich ein bisschen das Gefühl, selbst da gewesen zu sein. Die Bilder sind auch toll. Taj Mahaj im Morgendunst ist mein Favorit.
Überzeugt! Ich schaue jetzt öfter mal bei dir vorbei 🙂
Viele Grüße,
Christin
Hallo Christin, ich freue mich über Dein tolles Feedback. Wenn es so ist, wie Du beschreibst, dann habe ich mein Ziel ja erreicht. 😉
LG, Wolfgang
Hallo Wolfgang,
wunderschöne Bilder und interessanter Beitrag. Auf der anderen Seite war ich leider noch nie. Ich war mit Ehemann mehrmals beim Taj Mahal – für uns das schönste Gebäude der Welt. Am Abend bei Sonnenuntergang und am Morgen, immer wieder sieht es anders aus. Beim letzten Mal war ein muslimischer Feiertag und in und vor der Moschee links vom Taj Mahal beteten die Gläubigen. Das war eine ganz besondere Atmosphäre. Dann habe ich noch so ein nettes indisches Pärchen angesprochen und sie mit ihrem eigenen Fotoapparat geknipst.
Liebe Grüße
Renate
Hallo Renate, schönen Dank! 😉 Aber so habt Ihr ja auch nette Eindrücke gehabt, ohne auf der “anderen Seite” gewesen zu sein. Vielleicht dann ja beim nächsten Mal (falls es eines gibt…).
LG, Wolfgang