Mit Haschisch, Heroin und Kokain wird das Bekaa Valley oft in Verbindung gebracht. Und eine Hochburg der Hisbollah ist die Region. An Wein denkt man nicht als erstes. Dabei gehört die Bekaa-Ebene zu den ältesten Anbaugebieten der Welt. Ich habe mich einer Tour von „Vamos Todos“ angeschlossen, um mir die Wiege des Weinbaus näher anzuschauen.
Mark Aoun und sein Team von Vamos Todos haben sich dem Ökotourismus verschrieben. Neben diversen Outdoor-Aktivitäten bieten sie eine Tour in “den Weinkeller des Libanon“ an. Um 6 Uhr ist Aufstehen angesagt. Um 07:30 Uhr soll es losgehen. Treffpunkt ist in Jdeideh, einer nördlich vor den Toren von Beirut gelegenen Gemeinde. Nach und nach versammeln sich rund 25 Teilnehmer. Mit so viel Zuspruch hatte ich nicht gerechnet. Nur wenige Touristen hatte ich bisher in Beirut wahrgenommen. Die Konflikte in den Nachbarländern, insbesondere die Nähe zu Syrien, halten vor allem westliche Besucher von einem Besuch ab.
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Straße nach Damaskus führt in den Weinkeller
Der bereitstehende klimatisierte Reisebus bildet einen Kontrast zu den kleinen alten Bussen, die in Beirut das Stadtbild prägen. Ich hatte mich inzwischen an diese Art des öffentlichen Nahverkehrs gewöhnt. Wir verlassen die Stadt und es geht auf die Strasse nach Damaskus, die den Libanon, Syrien und Jordanien verbindet. Ein Checkpoint des Militärs wird passiert, anschließend geht es flüssig weiter. Die Grenze zu Syrien ist nur noch 35 km entfernt.
Erster Halt ist die Laiterie Massabki in Chtaura, wo bereits reger Betrieb herrscht. Gelegenheit, das Frühstück nachzuholen. Sandwiches, so nennen sie die dünnen gebackenen Teigfladen, die, zum Beispiel mit Frischkäse und Oliven belegt, mundgerecht zusammengerollt werden. Geübte Handgriffe fügen die Zutaten schnell zu einem schmackhaften Ergebnis zusammen. Lecker. Und sehr sinnvoll als Grundlage für die bevorstehende Weinverkostung.
Rot, dominierende Farbe in der Bekaa-Ebene
Danach geht es weiter. Hinein in die Kornkammer der Römer und den Garten des Libanon, wie die Bekaa-Ebene auch bezeichnet wird. Und sie ist die Heimat des legendären Roten Libanesen, dem die Farbe der Erde den Namen gegeben haben soll. Auch uralte Ruinen wie die Tempel von Baalbek sind charakteristisch für die Hochebene, deren Ausmaße etwa 120 km in der Länge und 8–12 km in der Breite betragen. Wir erreichen das Weingut Massaya, das in den 1970er Jahren gegründet wurde. Und sehen die ersten Rebstöcke, es gibt sogleich einen Einblick in die Produktion. Kistenweise werden Trauben herbeigeschafft und entladen. Die Sonne hat ganze Arbeit geleistet. Den Früchten hat sie ein tiefdunkles Rot verliehen. Die Leute, die hier arbeiten, leisten ebenfalls ganze Arbeit. Trotz der Sonne, die fast senkrecht am Himmel steht.
Die Phönizier haben in der Region ihre Spuren hinterlassen. Beirut, Byblos und Tripoli waren ihre Häfen im heutigen Libanon. Und in der Bekaa-Ebene haben sie vor tausenden von Jahren mit dem Weinbau begonnen. 3.000 v. Chr. ist belegt, sogar von 7.000 v. Chr. sprechen manche Quellen.
Französisches Know-how
Als nächstes geht es zur Domaine des Tourelles, einer der erfolgreichsten Winzereien des Libanon, international mehrfach ausgezeichnet. Gegründet wurde sie von einem Franzosen, der Name deutet darauf hin. François-Eugène Brun war ursprünglich vom Bau der Strasse nach Damaskus in die Gegend gelockt worden. Er ist geblieben. So sehr hat ihn die Bekaa-Ebene fasziniert. Und die Winzerei ist sein Vermächtnis. 1868 hat man dort mit dem Weinbau begonnen. Zwar einige tausend Jahre nach den Phöniziern, trotzdem ist die Winzerei die älteste ihrer Art im Libanon.
Ursprünglich hatten Händler die ersten Reben aus dem südlichen Kaukasus und aus Anatolien nach Phönizien gebracht. Der heutige Libanon entspricht ja im Wesentlichen dem damaligen Phönizien. Die Römer errichteten später zu Ehren von Bacchus, dem Weingott, einen Tempel in Baalbek, der noch heute existiert. Erst der Bürgerkrieg (1975−1990) führte zu einem Rückgang des Weinkonsums. Fast alle Weinberge wurden zerstört. Aber nach Ende des Krieges hat sich die Weinwirtschaft wieder erholt. Und die Union Vinicole du Liban, der Verband der libanesischen Weinproduzenten, arbeitet intensiv daran, den Libanon als Wein produzierendes Land weiter zu etablieren.
Die Weinverkostung bei über 30 Grad ist eine echte Herausforderung. Die Mittagspause kommt daher wie gerufen. Im Garten des Hotels Massabki finden sich internationale Runden zusammen, Kanadier, Australier, Niederländer. Zunächst werden leckere libanesische Vorspeisen, Mezze, serviert. Danach gibt es Lamm und Hähnchen, dazu Reis. Als Dessert folgt frisches Obst. Kaffee, wie üblich stark und schwarz, bildet den Abschluss.
Die dritte und letzte Station ist das Château Nakad. Mittlerweile mögen es an die fünfzehn verschiedene Sorten Wein sein, die wir probiert haben. Eine Bewertung kann ich nicht vornehmen. Ich bin doch kein Experte. Aber ich mag Wein. Und entweder er schmeckt oder nicht, das ist dabei die Basis für mein Urteil. Heute hatte ich nichts verschmäht, das dürfte für sich sprechen.
Sex sells
Es ist die letzte Gelegenheit, die heimischen Vorräte mit libanesischem Wein direkt vom Erzeuger aufzustocken. Einige Teilnehmer haben bereits regen Gebrauch davon gemacht. Was fällt auf? In jeder der besuchten Winzereien hat man attraktive junge Damen mit dem Verkauf betraut. Sex sells? Das mag sein, bei mir trifft das nicht zu. Ich kann nichts mit zurück nehmen. Im Handgepäck funktioniert das nicht.
“There’s no reason why Lebanese wine cannot be the sexiest wine on the planet.” sagt Michael Karam. Und der sollte es wissen. Karam ist Experte und über Wein zu schreiben ist sein Job. Nur die Verkäuferinnen, die waren sicher nicht gemeint mit seiner Aussage.
Dann herrscht Aufbruchstimmung. Schade, auf der Veranda des Château Nakad hätte ich noch bleiben können. Der Blick in die Weite der Ebene ist entspannend. Und natürlich hat auch der Wein seine Wirkung nicht verfehlt. Zum Abschluss wird noch ein leckerer Cocktail gereicht, mit Limette und frischer Minze. Aber statt endgültig in der Nachmittagssonne zu versacken, geht es nun zurück nach Beirut.
Wie hält dieses kleine Land das aus?
Nach einer Stunde ist die Hauptstadt erreicht. An mehreren Flüchtlingslagern waren wir wieder vorbeigekommen. Baracken, winkende Kinder. Kurze Momentaufnahmen beim Blick aus dem fahrenden Bus. Auch das ist charakteristisch für die Bekaa-Ebene. Was sage ich? Es ist kennzeichnend für den gesamten Libanon.
Mehr als eine Million Syrer leben inzwischen in dem kleinen Land, außerdem etwa eine halbe Million Palästinenser, dazu kommen noch Iraker. Etwa ein Drittel der Bevölkerung besteht aus Flüchtlingen. Wie hält dieses kleine Land das aus? Zum Vergleich: Das ist so, als ob es in Deutschland 24 Millionen Flüchtlinge und Asylsuchende gäbe. Aber heute ging es vor allem um Wein. Andere Themen sind jedoch jederzeit präsent. Man sollte die Augen nicht davor verschließen. Auch nicht beseelt von der Wirkung des Rebensaftes im Weinkeller des Libanon.
Wein im Libanon – da wäre ich gar nicht drauf gekommen!
Ich auch nicht, Nicole! 😉 Aber jetzt sind wir ja schlauer … Und das ist doch das schöne an der Sache, wenn man unterwegs etwas entdeckt, womit man nicht unbedingt rechnet! 😀
Interessanter Bericht, danke! Mich würde interessieren, wieweit der Wein (oder auch Alkohol im Allgemeinen) verbreitet ist im Alltag. Beschränkt sich das entspannte Wein trinken in einer Bar auf große Städte und die Mittelschicht oder ist das im ganzen Land ein gewohnter Anblick?
Grüße, Sascha
Hallo Sascha,
danke für Deinen Kommentar. Ja, Du vermutest schon richtig. Bezogen auf das ganze Land ist es kein gewohnter Anblick. Manche Gegenden bzw. Städte sind vorwiegend islamisch geprägt, da sieht man teilweise gar keinen Alkohol, wie etwa in Tripoli oder in Sidon. (In der Altstadt von Sidon gab´s z.B. kein Bier … und Wein sicher auch nicht). 😉 In manchen Vierteln von Beirut sieht es im Gegensatz dazu nicht anders aus als in europäischen Metropolen, was Bars usw. betrifft … Man merkt eben die religiöse Vielfalt des Landes, die sich (nicht nur) kulturell sehr unterschiedlich auswirkt.
Viele Grüße,
Wolfgang