Weihnachten 2021, Feiertage in der Pandemie, zum zweiten Mal bereits. Das Christfest als Zeiteinheit für die globale Krise. In Thailands Hauptstadt herrscht zum Jahresende wieder viel Normalität. Das und noch mehr zeigt eine weihnachtliche Reportage mit bunten Bildern aus Bangkok – aus Krung Thep, der Stadt der Engel.
Heiligabend in Bangkok. Plastikstühle am Straßenrand. Flaschen auf einem Klapptisch. Bunte Graffiti zieren den Wellblechzaun im Hintergrund. Rustikale Gemütlichkeit in der Soi 22, einer Seitenstraße der Sukhumvit Road, Bangkoks berühmter Verkehrsader. Was hat es auf sich mit dem Getränkeausschank, für den die Frau dort sorgt? Glühweingenuss in weihnachtlicher Besinnlichkeit? Mitnichten. Hong Thong ist ein Thai Whisky, die Leute lieben das Getränk. Mit Weihnachten hat der Ausschank nichts zu tun. Und Heiligabend ist in Thailand ohnehin ein ganz normaler Tag.
Mehrfach habe ich die Weihnachtstage schon in Bangkok erlebt, über die Bedeutung des Christfests im buddhistischen Thailand ist alles gesagt, es bedarf keiner Wiederholung (Lesetipp: Ist zwischen Wolkenkratzern, Tempeln und Rotlichtvierteln Platz für Weihnachtsbäume oder Krippenspiel?). Vor ein paar Tagen bin ich wieder zurückgekehrt und pflege am ersten Morgen eine Tradition: einen Spaziergang im Lumphini Park, ein Besuch bei den Waranen.
Inhalte
Dicke Luft in Bangkok
Ungewöhnlich ruhig ist es vor Weihnachten im Park. Wo sind die ganzen Menschen, die hier sonst frühmorgens trainieren? Nur ein paar verstreute Jogger treffe ich an. Vereinzelt quält sich jemand an Fitnessgeräten. Zwei Männer üben sich in Tai Chi. Was hält die anderen ab von den gewohnten Leibesübungen? Vorweihnachtlicher Stress ganz sicher nicht. Feinstaub ist schuld, die Luftverschmutzung ist extrem, in den Wochen und Monaten um den Jahreswechsel ist Smog-Saison. Die Menschen sind in diesen Tagen angehalten, auf Freiluftaktivitäten möglichst zu verzichten, für die Weihnachtstage wird der Höhepunkt der aktuellen Situation erwartet. Dicke Luft in Bangkok also zu Weihnachten, im wahrsten Sinne des Wortes!
Chong Nonsi zur Weihnachtszeit
Die Chong Nonsi Bridge ist eine fotogene Konstruktion in der Nähe der Sky-Train-Station gleichen Namens sowie vom MahaNakhon Tower, Bangkoks höchster Aussichtsplattform. Traditionell ist hier ein überdimensionaler Weihnachtsbaum zu finden, auch Weihnachten 2021 macht keine Ausnahme. Als ich vorbeikomme, sind letzte Vorbereitungen im Gange. Der übliche Baum gerät jedoch etwas in den Hintergrund, zusätzlich werden nämlich allerlei andere Dinge installiert. Eine “Light & Sound Show” steht an, gefährlich daherkommende Fantasy-Filmfiguren fallen außerdem ins Auge. Für die Show ist es noch zu früh, vielleicht schaue ich später noch einmal vorbei, nehme einstweilen als Erkenntnis mit: Weihnachten ist nicht wichtig in Bangkok – insbesondere dann, wenn es gleichzeitig um Promotion für Film oder TV geht.
Vorweihnachtliche Marktbesuche
Der Khlong Toei Market ist Bangkoks größter Frischmarkt. Viele lokale Restaurants und Hotels kaufen hier ein. Das Sortiment ist vielseitig, es gibt kaum etwas, was es nicht gibt: frisch Geschlachtetes und Lebendiges, Obst und Gemüse in reichhaltiger Auswahl und vieles mehr. Nur Weihnachtliches sucht man vergeblich. Beinahe jedenfalls, einige Verkäuferinnen lassen weihnachtlichen Haarschmuck blitzen. Ansonsten ist hier kein Raum für modischen Schnickschnack. Der Khlong Toei Market taugt ja auch nicht als Selfie-Kulisse wie etwa die angesagten Nachtmärkte der thailändischen Hauptstadt.
Nicht viel anders sieht es aus auf Bangkoks größtem Blumenmarkt. Bunte Blüten wie immer in Hülle und Fülle, dazu reichlich Obst und Gemüse. Es gibt viel zu entdecken und auch der Pak Khlong Talat ist natürlich ein Eldorado für Fotografen. Nur weihnachtliche Motive sucht man auch hier vergeblich. Nicht weit ist es bis Chinatown, wo es voll ist wie eh und je. Menschenmassen schieben sich vorbei an einem bunten Sammelsurium an Waren, geraten immer wieder ins Stocken. Auch so manches weihnachtliche Accessoire findet sich hier, darunter einige Kuriositäten. Chinatown wie es leibt und lebt, nicht umsonst gilt das lebhafte Viertel als größtes derartiges Quartier überhaupt (eine Art Gegenentwurf findet sich übrigens in der kubanischen Hauptstadt, Lesetipp: Hinter den Kulissen von Havannas Chinatown).
Bangkoks größter Baum?
Einkaufszentren und große Hotels scheinen sich auch in diesem Jahr im Wettstreit zu befinden. Wer hat Bangkoks größten Weihnachtsbaum, lautet die herausfordernde Frage. Vielleicht nicht der größte, in jedem Fall aber der ungewöhnlichste findet sich vor der Shopping Mall Siam Discovery: “Circular Living X’mas Tree 2021” lautet der Name des Projekts, hinter dem sich ein Konstrukt aus recycelten Plastik-Artikeln verbirgt. Weihnachten 2021 in Bangkok, hier also auf die umweltfreundliche Art!
Ein mächtiger Baum, womöglich der größte, steht auch vor der Shopping Mall centralwOrld. Außerdem gibt es Speis und Trank, kleine Mädchen probieren sich am Nachmittag in Karaōke. Nicht jedes Lied ist dabei weihnachtlich, eine willkommene Abwechslung zum Gedudel à la “Jingle Bells”, das sonst überall erklingt. Bunt, geradezu poppig, geht es am EmQuartier zu. Die Folge: Fotografiert wird vor dem Einkaufszentrum im Dauermodus.
Direkt gegenüber befindet sich eine weitere Mall, The Emporium. Womit werden hier die Besucher in diesem Jahr überrascht? 2019 waren es exotische Tiere (Lesetipp: Fröhliche Weihnacht in Thailand: Festliche Bilder aus Bangkok), ein Jahr später baumelten Bäume von der Decke – verkehrt herum, das war der Clou dabei (Lesetipp: Weihnachten und Corona: Bilder aus Bangkok). Deutlich dezenter geht es nun 2021 zu, lediglich ein stilisierter Baum mit schmalen Zweigen und vielen Lichtern füllt den Raum zwischen den Etagen.
Weihnachtsstimmung im Portugiesenviertel
Rund um die alte Kirche Santa Cruz befindet sich Kudeejeen, das Viertel wurde vor über 200 Jahren von portugiesischen Siedlern gegründet. Heute leben hier Buddhisten und Angehörige der katholischen Minderheit einträchtig nebeneinander und pflegen gemeinsam ihre Traditionen. Dazu gehört ein großer Baum mit glänzenden Kugeln und anderer typisch weihnachtlicher Schmuck in den engen Gassen. Auch Gebäck wird hergestellt, täglich frisch nach uraltem Rezept, und das nicht nur zum Christfest. Kanom Farang Kudeejeen (englisch auch: Portuguese cupcake) lautet der Name der Backware. In Kudeejeen wirkt thailändisches Weihnachten auf einmal sehr authentisch. Was jedoch weitgehend unbemerkt bleibt, viele Besucher kommen nicht in das Viertel am Westufer des Chao Phraya.
Heiligabend: Blowjob, Bars, Begegnungen
Ob ich einen Blowjob möchte, das Angebot kommt sehr direkt und unmissverständlich. 700 Baht soll der weihnachtliche Oralsex kosten. In der Sukhumvit Road bin ich unterwegs, wollte eigentlich einen Markt besuchen und streife nun neugierig durch Seitenstraßen. Von mehreren Weihnachtsmärkten in Bangkok hatte ich erfahren, das Event im Sofitel hat seinen letzten Termin am 24. Dezember. Akkurat gestylte Angestellte öffnen den Besuchern gläserne Türen zum Foyer. Meine spontane Entscheidung fällt nicht schwer: Verstaubt und verschwitzt nach meinem Bummel verzichte ich auf den Besuch im exklusiven 5‑Sterne-Haus.
Draußen, wo es laut und lebhaft ist, bleibe ich, bei den Leuten auf der Straße. Manch abgerissene Gestalt darunter. Einige hocken auf dem Boden, teilen sich Essen und Getränke. Bettelnde Frauen mit kleinen Kindern. Leidende Blicke. Fordernde Hände, die den Passanten entgegenstreckt werden. Wer sind all diese Menschen? Was ist ihr Schicksal? Ich schaue in Gesichter – anonyme Fassaden, hinter die ich nicht blicken kann. Was ist mit der Frau, glatzköpfig und so auffällig geschminkt? Sie wirkt ernst und ist beinahe regungslos. Meine Fragen bleiben unbeantwortet. Versteht sie mich nicht? Redet sie nicht? Ist es überhaupt eine Frau? Von den vielen Gesichtern Bangkoks an Heiligabend ist es eins, das in Erinnerung bleibt.
Weihnachtswünsche in Bangkok
“What your name?”, “where you come from?”, es sind immer die gleichen Fragen. Meine trockene Kehle lechzt nach einer Erfrischung und ich habe eine beliebige Bar gewählt, wo es zum Getränk nun den üblichen Smalltalk gibt. “I come with you for boom boom” geht es weiter, bevor ich mich endlich ungestört meinem Bier widmen kann. Nach Blowjob nun also boom boom, die übliche Umschreibung für die Ausübung des Geschlechtsverkehrs: “everything is possible” in Krung Thep, der Stadt der Engel, wie Bangkok ja auch genannt wird. Voll ist es anschließend in der Skytrain-Station, ungewöhnlich lang die Schlange vor dem Ticket-Schalter und dicht gedrängt stehen die Leute danach auch in der Bahn, die mich zurück nach Bang Rak bringt.
Bangkok ist wieder quicklebendig in diesen Tagen, an vielen anderen Stellen ist es ähnlich voll. Auf Märkten, in Shopping Malls, in Chinatown und anderswo. Man könnte fast denken, es habe nie eine Pandemie gegeben. Ein trügerisches Bild? Bangkok, der Millionenmoloch, ist jedenfalls voran marschiert, fast alle Menschen sind doppelt geimpft, das verdient Respekt. Und wird womöglich doch nicht reichen, Omikron ist das Stichwort. Wie ein Damoklesschwert schwebt die neue Variante auch über Thailand und es gilt, nicht nachzulassen in den Bemühungen. “No one is safe until everyone is safe” weiß man hier und dass man mit einer insgesamt dreijährigen Dauer der Pandemie rechnet, ist ebenfalls eine wichtige Erkenntnis.
Zu spüren ist jedoch überall der Wunsch: Endlich Schluss mit der verdammten Pandemie! Kein weiterer Lockdown, keine Ausgangssperren und Ausschankverbote mehr, keine neuen Restaurantschließungen! Die Menschen wollen wieder leben, wollen Spaß haben und gesellig sein. Und sei es nur, irgendwo am Straßenrand auf Plastikstühlen zu sitzen. Mit einer Flasche Thai Whisky auf dem Tisch und nebenan der nächste Street-Food-Stand mit gegrillten Leckereien.
Abschließende Hinweise
Während meines “Corona-Exils” (Ende zurzeit noch nicht absehbar ist) gibt es an dieser Stelle auch weiterhin Geschichten “von unterwegs” aus Thailand, normalerweise aber auch von anderswo. Wer auf dem Laufen bleiben möchte, ist herzlich eingeladen, mir auf den folgenden Kanälen zu folgen, wo es laufend Anekdoten, bunte Bilder & aktuelle Infos gibt – natürlich kostenlos und immer werbefrei:
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Hallo Wolfgang!
Happy New Year, möge es ein gutes werden!
Danke für diesen tollen Weihnachtsspaziergang mit großartigen Bildern! Am besten gefallen mir die stark Geschminkte und das kleine Mädchen.
Und dann auch noch so erzählt, dass ich das Gefühl habe, mit dabei zu sein. Ich hab das wirklich gern gelesen und freue mich über diese Blog-Entdeckung!
Lieben Gruß aus Peking
Linni
Moin Linni, vielen Dank für das nette Feedback & Happy New Year retour (wobei das chinesische neue Jahr ja erst im nächsten Monat beginnt)! 🙏 Liebe Grüße aus Bangkok nach Peking … 😉