Caminha ist der nordwestlichste Ort Portugals, gelegen an der Mündung des Minho, auf der anderen Seite des Flusses ist Spanien. Eine alte Kirche, die Igreja Matriz de Caminha ist die berühmteste Sehenswürdigkeit. Auf dem Weg von Viana do Castelo nach Valença do Minho habe ich in Caminha halt gemacht, meine Fahrt für ein paar Stunden unterbrochen. Wie ist es tatsächlich gekommen? Und gibt es in Caminha noch mehr zu entdecken als eine alte Kirche?
Ein erster Stopp direkt gegenüber vom Bahnhof. Auf einen Kaffee, auch hier der übliche Espresso, dazu einmal mehr eines der leckeren Pastéis de Nata. Nach dieser Stärkung geht es weiter.
Die Straßen, die Richtung Altstadt führen, sind fast menschenleer. Es ist Samstagvormittag, auch daran mag es liegen. Imposant ist die Kirche, die Igreja Matriz. Die Ausstattung ist bemerkenswert aufwendig. An wertvollen Materialien hat man nicht gespart. Holz, Gold, dazu Azulejos, die kunstvoll handgemachten Fliesen.
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Die Praça, Mittelpunkt von Caminha
Die Praça Conselheiro Silva Torres ist der Mittelpunkt von Caminha, in der Mitte des Platzes ein Brunnen, verwittertes Gestein. Am Rand der Uhrturm, Torre do Relógio, mit dem Tor zum historischen Kern, das habe ich gerade passiert. Männer sitzen vor dem Café Central, dort werden sie häufig anzutreffen sein.
Ein Stück weiter, ein wenig bergauf, dort liegt der Cementerio de Caminha. Zurück an Porto muss ich denken, an die Tipps von Dorota, meiner Gastgeberin. Auch den Besuch von Friedhöfen hatte sie mir ans Herz gelegt. Hier in Caminha ist er kleiner, das wundert nicht, aber kaum weniger eindrucksvoll. Jeder dieser Friedhöfe ist wie eine kleine Stadt, mit vielen architektonischen Werken. Das Dach so manches Mausoleums ragt steil in den bewölkten Himmel. Eine eindrucksvolle Atmosphäre.
Auf der Praça Conselheiro Silva Torres haben sich inzwischen Besucher eingefunden. Vor den Restaurants widmen sie sich Kaffee oder Bier, und bald ist Zeit für das Mittagessen.
„Espanol?“ lautet die Frage
Etwas abseits war ich auf das Restaurante Cova da Onça gestoßen. Es geht rustikaler zu als auf der Praça, wo sich eifrige Kellner um ihre Kundschaft kümmern. Ich habe die Wahl zwischen Bacalhau a casa, Stockfisch wie man ihn überall in Portugal bekommt, und Carne de Porco à Alentejana, wähle das Fleisch. Dazu wieder Vinho Verde, den jungen Wein, der aus der Gegend stammt. „Espanol?“, die Frage des freundlichen Wirtes ist eindeutig, man erwartet hier hauptsächlich spanische Gäste. Von der anderen Seite, von Galicien aus, ist Caminha mit der Fähre schnell erreicht.
Ein Sonntag in Caminha
Sonntagmorgen. Um sieben Uhr schlägt die Glocke des nahen Turms zum ersten Mal. Der Blick aus dem Fenster: Ein eindrucksvolles Panorama über den roten Ziegeldächern. Die Praça, im Hintergrund Spanien und dazu die grün bewaldeten Hügel des Minho, der portugiesischen Provinz. Und ganz links gar die Brandung des atlantischen Meeres, weiße Schaumkronen leuchten in der Ferne. Einen besseren Ausblick kann es am Sonntagmorgen in Caminha nicht geben.
Schreie der allgegenwärtigen Möwen, das ist die Geräuschkulisse dazu. Und die Glocke ertönt nun stündlich. Über Nacht war Pause, zum Glück, und das sicher nicht ganz uneigennützig.
Was war geschehen? Tags zuvor sitze ich nachmittags am Brunnen, auf den Stufen davor. Genieße die friedliche Atmosphäre, beobachte die Menschen. Sogar eine gut funktionierende Internetverbindung gibt es hier, mitten auf dem Platz, öffentlich zugänglich. Eine Stunde später wäre mein Zug gefahren. Aber es war noch nicht an der Zeit, diesen Ort schon wieder zu verlassen. Pensão Residencial, vielleicht hatte sich das bereits festgesetzt, ganz hinten im Kopf. Der Schriftzug mit den abblätternden Buchstaben, oben über der Praça Conselheiro Silva Torres.
Es war nicht das in der Nähe befindliche Design & Wine Hotel, das mich gelockt hatte. Es wäre nicht das gleiche gewesen. Mehr Komfort, und teurer. Das muss nicht zwingend besser sein, so die Erfahrung. Die Pension Residencial Galo D’ouro jedenfalls, meine Unterkunft für eine Nacht, befindet sich in einem alten Haus mit hohen Decken. Teppichboden bedeckt schiefe, knarrende Holzdielen. Ein einfaches Zimmer, mit viel Charme, das ist meine Herberge.
Begegnung auf der ältesten Straße
In der Rua Direita, der ältesten Straße von Caminha, treffe ich am nächsten Tag Dulce und Zé Luis. Vor A Petisqueira, dem Restaurant, es gehört Dulce. Zé Luis ist Maler und Kunsthandwerker. Auch das Lokal hat er mit einigen seiner Werke ausgestattet. Wo ich herkomme und ob ich bereits in Porto war? Die beiden stammen von dort, erfahre ich.
Was das besondere hier in Caminha ist, will ich neugierig wissen. Vor allem die Igreja Matriz, die Kirche, sagt Zé Luis, sonst gäbe es nicht viel. Und „Portugal is for sale“ fügt er noch hinzu. Dieser Widerspruch ist mir nicht neu. Dass das, was ich als Besucher schön und spannend empfinde, viele Einheimische ganz anders sehen. Die jungen Leute etwa, die es nach Lissabon oder anderswohin zieht. Dorthin, wo es brummt und vibriert, raus aus den Jahrhunderte alten Orten. Weg von den steinernen Zeugen vergangener Zeiten. Wer kann es ihnen verdenken?
Jetzt im Winter sei sowieso nichts los. Im Sommer ist es anders. Nur richtig kalt werde es nicht, anders als etwa in Deutschland, regnen würde es aber gelegentlich. Später sitze ich wieder auf der Praça, bei angenehmen 21 Grad. Ja, Zé Luiz hat recht, das ist anders als in Deutschland, Ende Oktober.
Portugiesische Leckerbissen aus der Pastelaria
Bevor ich zum Bahnhof gehe, besuche ich noch einmal die Pastelaria Caminhense. Längst hatte ich diesen Ort mit seinen süßen Gaumenfreuden entdeckt. Hatte mir von der netten Konditorsfrau die Spezialitäten erläutern lassen, Merengue de Limão und Rabanadas. Oder Bolo Rei, den Kuchen, den es traditionell zu Weihnachten gibt. Ich müsste es wohl nicht extra erwähnen, natürlich habe ich das eine oder andere probiert.
Oft sind es nicht die sogenannten Sehenswürdigkeiten, die einen Ort interessant machen. Nicht die berühmten Attraktionen, die im Reiseführer beschrieben werden. Es ist die Stimmung, das Flair. Und es sind die Begegnungen. Caminha, das Städtchen im Nordosten von Portugal, ist ein Ort, den ich so in Erinnerung behalten werde. Dazu gehört übrigens auch Buska, die alte Hundedame. Die vor etlichen Jahren Zé Luis zugelaufen ist und ihm seitdem nicht von der Seite weicht.
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