Tor zum Barrio Chino, Havannas Chinatown.
Kuba

Hinter den Kulissen von Havannas Chinatown

Ein gro­ßes Tor bil­det den Ein­gang zum Bar­rio Chi­no, dem Chi­ne­sen­vier­tel von Havan­na. Es befin­det sich in der Nähe vom Capi­to­lio, dem wohl bekann­tes­ten Bau­werk der kuba­ni­schen Haupt­stadt. Doch wie viel “Chi­na” steckt eigent­lich in dem Quar­tier? Eine Spu­ren­su­che in Havan­nas Chinatown. 

Alte Autos brau­sen durch die Ent­ra­da del Bar­rio Chi­no, das Tor zum Chi­ne­sen­vier­tel. Es han­delt sich um Máqui­nas, pri­va­te Sam­mel­ta­xis, die als Teil des öffent­li­chen Nah­ver­kehrs von Havan­na fes­te Rou­ten befah­ren. Aber auch Tou­ris­ten sind mit muse­ums­rei­fen Kis­ten unter­wegs, sie erfül­len sich so ihren ganz eige­nen kuba­ni­schen Traum. Zwi­schen Par­que Cen­tral und Havan­nas berühm­ter Ufer­pro­me­na­de, dem Malecón, oder Vedado, dem moder­nen Teil der Haupt­stadt, und eben Chi­na­town las­sen sie sich in her­aus­ge­putz­ten US-Old­ti­mern aus den 1950er Jah­ren herumkutschieren.

Calle de los Dragones und Tor zum Chinesenviertel von Havanna.
Blick auf die Cal­le de los Dra­go­nes und das Tor zum Chinesenviertel

Die Cal­le de los Dra­go­nes, die Stra­ße der Dra­chen also, führt, zunächst seit­lich vor­bei am Kapi­tol, schließ­lich mit­ten hin­ein ins chi­ne­si­sche Vier­tel, hin­ter dem mäch­ti­gen Ein­gangs­por­tal ver­zweigt sie in die Cal­le Zanja.

Yin und Yang im Chinesenviertel

Hier und da fin­den sich Yin-Yang-Sym­bo­le in den Stra­ßen. Yin und Yang, das chi­ne­si­sche Sinn­bild für aus­ge­präg­te Gegen­sät­ze wie etwa: hell und dun­kel, heiß und kalt, männ­lich und weib­lich oder Tag und Nacht. Und wenn­gleich alles auf den ers­ten Blick höchst unter­schied­lich wirkt, so ergän­zen sich die­se Kon­tras­te doch vor­treff­lich. Das eine näm­lich kommt ohne das ande­re nicht aus, und nicht nur das, man­che Gegen­sät­ze zie­hen sich gera­de­zu magisch an. Das Gleich­ge­wicht unter­schied­li­cher Kräf­te ist daher das Geheim­nis, die Zau­ber­for­mel für Glück und Vollkommenheit.

Yin-Yang-Symbole in Havannas Chinatown.
Yin und Yang in Havan­nas Chinatown

Ganz schön schlau also die­se chi­ne­si­sche Phi­lo­so­phie und ihre Leh­ren haben Ein­fluss auf viel­fäl­ti­ge Aus­prä­gun­gen chi­ne­si­scher Kul­tur, bis hin zur berühm­ten Heil­kun­de aus dem Reich der Mit­te. Yin und Yang also auch in Havan­na, kei­ne Fra­ge, das ist typisch chi­ne­sisch und somit durch­aus viel­ver­spre­chend. Und den­noch, ein paar Sym­bo­le wer­den doch sicher nicht alles sein im Chi­ne­sen­vier­tel von Kubas Hauptstadt?

Konfuzius in Kuba

Gäbe es ein bekann­te­res und grö­ße­res Wahr­zei­chen für das Rie­sen­reich als die Chi­ne­si­sche Mau­er? Und taugt nicht auch der viel­zi­tier­te Kon­fu­zi­us als Stell­ver­tre­ter für das Mil­li­ar­den­volk der Chi­ne­sen? Bei­des zusam­men ver­eint zeigt näm­lich ein gro­ßes Wand­ge­mäl­de in der Cal­le Zanja.

Wandbild in Havannas Chinatown: Konfuzius und Chinesische Mauer.
Wand­bild in Havan­nas Chi­na­town: Kon­fu­zi­us und Chi­ne­si­sche Mauer

Auf dem Mural wan­delt Kon­fu­zi­us über den vie­le Tau­send Kilo­me­ter lan­gen Grenz­wall. Ist die­ser Weg, der Marsch über die Gro­ße Mau­er, etwa das Ziel, getreu dem bekann­ten Aus­spruch des popu­lä­ren Phi­lo­so­phen? Der jedoch dürf­te damals ande­res im Kopf gehabt haben, als auf dem spä­te­ren Welt­kul­tur­er­be ent­lang zu spa­zie­ren. Zu Kon­fu­zi­us´ Zeit, vor rund 2500 Jah­ren, steck­te das rie­si­ge chi­ne­si­sche Reich näm­lich im Bür­ger­krieg, es herrsch­ten Cha­os und Tyran­nei. Und Kon­fu­zi­us, der zuvor die alten chi­ne­si­schen Gelehr­ten stu­diert hat­te, tüf­tel­te an Ideen, wie die Ord­nung im Land wie­der her­zu­stel­len sei. Klu­ge Sachen kamen dabei her­aus – klar, ansons­ten wäre uns der Name des Man­nes wohl kaum ein Begriff nach all der Zeit.

Schild des Restaurants Sue Yuen Tong los 3chinitos, Chinatown, Havanna.
Chi­na­re­stau­rant oder Pizzeria?

Auf den Umgang mit sich selbst soll­ten die Men­schen ach­ten, so das Cre­do des Den­kers Kon­fu­zi­us. Mora­li­sches Han­deln, Freund­lich­keit und Pflicht­be­wusst­sein sei­en dabei wich­tig, Bil­dung, Tugend­haf­tig­keit und Fleiß zudem eine unab­ding­ba­re Basis.

Fußball im Parque Shanghai

Von der Jahr­tau­sen­de alten chi­ne­si­schen Phi­lo­so­phie nun aber wie­der zurück ins nur 500 Jah­re “jun­ge” Havan­na. Das ange­sichts brö­ckeln­der Fas­sa­den und ein­sturz­ge­fähr­de­ter Häu­ser jedoch alles ande­re als frisch und jugend­lich daherkommt.

Straßenverkehr in der Calle Zanja und Bar / Restaurant Pekín in Chinatown, Havanna.
Cal­le Zan­ja mit Blick auf das Restau­rant Pekín

Noch immer in der Cal­le Zan­ja, nur weni­ge Meter wei­ter, befin­det sich eine klei­ne Park­an­la­ge, wo wir erneut auf einen Bekann­ten tref­fen. Wie­der ist es Kon­fu­zi­us, dies­mal in Form einer Sta­tue, wäh­rend ein gro­ßes Yin-Yang-Sym­bol für den eben­falls “authen­tisch-chi­ne­si­schen” Hin­ter­grund an einer Haus­wand sorgt. Was gibt es hier noch? Ein biss­chen Grün­zeug, dane­ben eine beto­nier­te Flä­che und auch eini­ge Bän­ke, nichts spek­ta­ku­lä­res also. Gro­ßer Beliebt­heit erfreut sich das Ter­rain ganz offen­sicht­lich bei ein paar klei­nen Kickern, flink jagen die Bur­schen ihrem Ball hin­ter­her. Der Par­que Shang­hai, so der Name des Ortes, als Bolz­platz, nun ja, war­um auch nicht?

Konfuzius-Statue im Parque Shanghai in Havannas Chinatown.
Kon­fu­zi­us-Sta­tue im Par­que Shang­hai in Havan­nas Chinatown

Fuß­ball hin, Fuß­ball her, sobald ich den Park betre­te, unter­bre­chen die Buben ihr Spiel, um vor dem Sockel mit der Kon­fu­zi­us-Figur zu posie­ren – dabei habe ich die Kame­ra noch nicht ein­mal ganz aus­ge­packt. Aber kein Pro­blem, das spon­ta­ne Foto­shoo­ting ist schnell erle­digt, wor­auf die Kids das Inter­es­se an mir wie­der ver­lie­ren. Wei­ter geht es statt­des­sen mit der wil­den Bol­ze­rei, wäh­rend ich mich nun in Ruhe einem Schild wid­me, das die Ball­ar­tis­ten zuvor ver­deckt hatten.

Kinder im Parque Shanghai von Havannas Chinatown.
Die Fuß­ball­kids vom Par­que Shanghai

Der Stif­ter der Sta­tue ist Dr. Tong Yun Kai und der ist Prä­si­dent der Kon­fu­zi­us-Aka­de­mie in Hong­kong, erfah­re ich. Außer­dem scheint der Mann über reich­lich Koh­le zu ver­fü­gen. Das steht zwar nicht auf dem Schild, ist aber das Ergeb­nis wei­te­rer Recher­chen. Über 150 Mil­lio­nen Hong­kong-Dol­lar hat Dr. Tong gespen­det, um die Phi­lo­so­phie des Kon­fu­zi­us zu för­dern, wahr­haf­tig kein Pap­pen­stiel. Dank sei­ner Schen­kun­gen wur­den mehr als 500 Skulp­tu­ren in aller Welt errich­tet – eine davon steht nun auch im Par­que Shang­hai von Havan­nas Chi­na­town. Im Übri­gen erst seit 2012 und der Dok­tor aus Hong­kong hat­te es sich nicht neh­men las­sen, höchst­per­sön­lich zur fei­er­li­chen Kon­fu­zi­us-Ent­hül­lung nach Havan­na zu kom­men – freund­li­che Wor­te im Gepäck, wie es üblich ist bei sol­chen Anläs­sen. Von kuba­ni­scher Sei­te hin­ge­gen wur­de bei der Gele­gen­heit ins­be­son­de­re die Inte­gra­ti­on der Chi­ne­sen über meh­re­re Gene­ra­tio­nen gelobt. Nur: Wo ste­cken die eigentlich?

Deko im China-Style in der Barbería Reforma, Havanna.
Deko im Chi­na-Style in der Bar­be­ría Reforma

Wo stecken Havannas Chinesen?

Ganz schön viel Kon­fu­zi­us also bis­her, es ist daher an der Zeit, wei­ter zu for­schen. Zu schau­en, wo es noch mehr “Chi­na” in Havan­na gibt. Und vor allem, um die Chi­ne­sen auf­zu­spü­ren, denn: ohne Chi­ne­sen kei­ne Chi­na­town! Als nächs­tes ste­cke ich mei­ne Nase in einen Fri­seur­sa­lon – Wand­ma­le­rei, chi­ne­si­sche Schrift­zei­chen und ganz viel Rot, die chi­ne­si­sche Far­be des Glücks und des Lebens, hat­ten mich neu­gie­rig gemacht. Aber, trotz Deko im Chi­na-Style, bei den freund­li­chen Her­ren, die hier ihres Amtes wal­ten, han­delt es sich ganz offen­sicht­lich um wasch­ech­te Kubaner.

Setzmaschine Linotype 8 in Havannas Chinatown.
Lino­ty­pe-Setz­ma­schi­ne von 1911 in Havan­nas Chinatown

Papier und Bruch­druck wur­den in Chi­na erfun­den, die nächs­te Sta­ti­on kommt daher gera­de recht. Hier geht es um Druck­wa­ren, Papier­er­zeug­nis­se unter­schied­li­cher Art. Dazwi­schen wie­der chi­ne­si­sche Schrift­zei­chen, dies­mal auf Fähn­chen. In Rot und auch in Gold, das eben­falls ein Sym­bol für Glück, aber auch für Kraft, Macht und Weis­heit ist, und daher auch die Far­be chi­ne­si­scher Kai­ser. Alte Gerä­te wecken mein Inter­es­se in dem Geschäft, eines ent­puppt sich als Lino­ty­pe-Setz­ma­schi­ne von 1911, also bereits seit mehr als 100 Jah­ren im Ein­satz. Der Erfin­der ist Ott­mar Mer­gen­tha­ler, gebür­tig in Süd­deutsch­land und im Alter von 18 Jah­ren in die USA aus­ge­wan­dert, es han­delt sich also um US-ame­ri­ka­nisch-deut­sche Wert­ar­beit. Mer­gen­tha­ler sorg­te Ende des 19. Jahr­hun­derts für mäch­tig Furo­re, 1889 war sei­ne Maschi­ne eine Sen­sa­ti­on auf der Pari­ser Welt­aus­stel­lung und ein neu­es Zeit­al­ter der Druck­tech­nik brach an. Eine bemer­kens­wer­te Erfolgs­ge­schich­te, die sich noch wei­ter aus­füh­ren lie­ße, ent­fern­ten wir uns damit nicht all­zu sehr vom eigent­li­chen The­ma. Es geht schließ­lich noch immer um Havan­nas Chinatown.

Blick in die Escuela Cubana de Wushu, eine Schule für chinesischen Kampfsport in Havannas Chinatown.
Blick in die Escue­la Cuba­na de Wushu

Kampfsport im Barrio Chino

Wird die Spur nun end­lich hei­ßer? In einer Sei­ten­stra­ße sto­ße ich auf die Escue­la Cuba­na de Wushu, eine Schu­le für chi­ne­si­sche Kampf­kunst mit einem groß­zü­gig bemes­se­nen Außen­be­reich. Bemer­kens­wert vie­le Leu­te sind hier mor­gens aktiv, um sich in unter­schied­li­chen Tech­ni­ken zu üben, mit oder ohne Waf­fe. Doch wie ein Chi­ne­se oder eine Chi­ne­sin sieht kaum jemand aus. Die Aus­nah­me bil­det ein älte­rer Herr. Das ist mein Mann, den wer­de ich mir schnap­pen und mit Fra­gen löchern – es ist Zeit, den Geheim­nis­sen von Havan­nas Chi­na­town auf den Grund zu gehen!

Wushu, chinesische Kampfkunst in Havannas Chinatown.
Chi­ne­si­sche Kampf­kunst in Havan­nas Chinatown

1949 hat­te es eine letz­te Wel­le chi­ne­si­scher Ein­wan­de­rer gege­ben, nach­dem bereits Ende des 19. Jahr­hun­derts vie­le Emi­gran­ten aus dem Reich der Mit­te die Gegend um die Cal­le Zan­ja zu einem typisch-geschäf­ti­gen Chi­ne­sen­vier­tel gemacht hat­ten. 1949 hat­te näm­lich der Kom­mu­nist Mao Zedong (auch Mao Tse-tung geschrie­ben) die Macht über­nom­men, Grund genug für vie­le Chi­ne­sen, Reiß­aus zu neh­men mit Blick auf die zu erwar­ten­den Fol­gen. Und ganz sicher auch die rich­ti­ge Ent­schei­dung, denn die Zeit der Dik­ta­tur des Gro­ßen Vor­sit­zen­den Mao war gekenn­zeich­net durch Ent­eig­nun­gen, Arbeits­la­ger und vie­le Mil­lio­nen Tote. Unter den Aus­wan­de­rern befand sich damals auch der Vater mei­nes sym­pa­thi­schen Gesprächs­part­ners, der mir nun bereit­wil­lig Aus­kunft gibt.

Serafin Chuit, Kubaner mit chinesischen Wurzeln in Havannas Chinatown.
Ser­a­fin Chuit, Kuba­ner mit chi­ne­si­schen Wurzeln

Ser­a­fin Chuit ist Schach­spie­ler und wur­de 1950 in Havan­na gebo­ren, sein Vater hat­te eine Kuba­ne­rin gehei­ra­tet. Schach erfreut sich in Kuba enor­mer Beliebt­heit, es gibt eine gro­ße Zahl (schlecht­be­zahl­ter) Pro­fis, einen hat­te ich bereits in Baya­mo ken­nen­ge­lernt. Und auch in den Stra­ßen sieht man häu­fig Leu­te beim kon­zen­trier­ten Schach­spiel. Typisch kuba­nisch also die Lei­den­schaft des Man­nes mit den chi­ne­si­schen Wur­zeln und der Name Ser­a­fin deu­tet ja nun auch nicht auf sei­ne Abstam­mung hin. In Kuba habe man Wert auf spa­ni­sche Namen gelegt, so die Erklä­rung, die ich umge­hend ein­ho­le – heu­te wür­de man so etwas wohl Inte­gra­ti­ons­maß­nah­me nennen.

Männer beim Schachspiel in den Straßen von Havanna, hier in Centro Habana.
Typi­sches Bild in den Stra­ßen: Män­ner beim Schach, hier in Cen­tro Habana

Die Geheimnisse von Havannas Chinatown

Und wo ste­cken nun die Chi­ne­sen im eigent­li­chen Chi­ne­sen­vier­tel der kuba­ni­schen Haupt­stadt? Wenn es einer weiß, dann Ser­a­fin, der ist schließ­lich hier zu Hau­se. Tat­säch­lich gebe es noch etwa eine Hand­voll “ech­ter” Chi­ne­sen in Havan­na, alle so um die 90 Jah­re, weiß die­ser zu berich­ten. Viel­leicht sei­en es auch ein Dut­zend, mehr aber nicht, denn alle ande­ren sei­en ja abge­hau­en. Den Grund für die erneu­te Flucht lie­fer­te dies­mal der inzwi­schen ver­stor­be­ne Fidel Cas­tro. Zwar hat­te der dem kuba­ni­schen Volk Frei­heit und Demo­kra­tie ver­spro­chen, woll­te davon jedoch, nach­dem er 1959 an die Macht gelangt war, nichts mehr wissen.

In der Wushu-Schule im kubanischen Havanna.
In der Wushu-Schu­le von Havanna

Die Chi­ne­sen, erst vor Mao davon­ge­lau­fen, waren also vom Regen in die Trau­fe gekom­men – auch in Kuba soll­ten von nun an tau­send­fa­che Hin­rich­tun­gen, Bespit­ze­lung und Kon­trol­le an der Tages­ord­nung sein. Hin­zu kam die kata­stro­pha­le Wirt­schafts­po­li­tik der ehe­ma­li­gen Revo­lu­tio­nä­re um Cas­tro und “Che” Gue­va­ra, die sich nun als Poli­ti­ker ver­such­ten, auch hier beglei­tet von Ent­eig­nung und Ver­staat­li­chun­gen. Sie sorg­te, neben dem US-Embar­go, für eine Man­gel­ver­sor­gung, die bis heu­te andau­ert, mal mehr, mal weni­ger dra­ma­tisch. Die schlau­en Chi­ne­sen hat­ten sich recht­zei­tig abge­setzt, vor allem in die USA, aber auch nach Pana­ma oder ande­re Län­der Lateinamerikas.

Tor zur Calle Cuchillo in Chinatown, Havanna, wo sich einige Restaurants befinden.
Tor zur Cal­le Cuch­il­lo, wo sich “chi­ne­si­sche” Restau­rants befinden

Auf mei­ne Fra­ge, war­um sei­ne Fami­lie denn nicht auch fort­ge­gan­gen sei, schmun­zelt Ser­a­fin. Man habe sich erst nicht eini­gen kön­nen, da sie ja jeweils zur Hälf­te chi­ne­sisch und kuba­nisch gewe­sen sei­en – die einen woll­ten weg aus Kuba, die ande­ren jedoch woll­ten blei­ben. So sind sie schließ­lich geblie­ben. Und wie sieht es mit Ser­af­ins Ver­hält­nis zur Hei­mat sei­ner Vor­fah­ren aus? 2013 ist er dort zu Besuch gewe­sen, jedoch habe ihm das neue Chi­na über­haupt nicht gefal­len mit sei­nen Hoch­häu­sern und der gan­zen Umwelt­ver­schmut­zung. Umso grö­ßer sei sein Inter­es­se jedoch am alten tra­di­tio­nel­len Chi­na, etwa an der Phi­lo­so­phie und der Medizin.

Installation von roten Lampions in Chinatown, Havanna.
Chi­na­town wird mit roten Lam­pi­ons aufgehübscht

Chi­ne­si­sches Essen ist unser letz­tes The­ma, schließ­lich gibt es in der Chi­na­town von Havan­na eine gan­ze Rei­he Restau­rants. Er selbst müs­se auf­pas­sen, erzählt Ser­a­fin Chuit, da er Dia­be­ti­ker sei. Für Sup­pen, Reis und typi­sche Gemü­se­ge­rich­te habe er aber trotz­dem eine Vor­lie­be. Ob er denn auch einen Restau­rant-Tipp habe, will ich wis­sen. Klar, das sei nicht schwer, es gebe schließ­lich nur ein ein­zi­ges Lokal, in dem wirk­lich chi­ne­sisch gekocht wer­de, näm­lich das Tien Tan. In allen ande­ren koch­ten Kuba­ner, das sei eben nicht ori­gi­nal chi­ne­sisch. Zur­zeit ist jedoch geschlos­sen, die klei­ne Restau­rant-Mei­le in der Cal­le Cuch­il­lo wird reno­viert, Grund ist der anste­hen­de 500. Geburts­tag der kuba­ni­schen Haupt­stadt. Die pri­va­ten Betrei­ber der Gast­stät­ten hät­ten im Übri­gen ein gutes Ver­hält­nis zum Staat, der wie­der­um tra­ge 80–90 Pro­zent der Kos­ten die­ser Verschönerungsaktion.

Chinesisches Restaurant Tien Tan in Havannas Chinatown: Küchenchef mit seiner Crew.
Restau­rant Tien Tan: der Küchen­chef (zwei­ter von links) und sei­ne Crew

Ein echtes China-Restaurant

Am letz­ten Tag mei­nes Auf­ent­hal­tes führt mich der Weg noch ein­mal in die Gegend. Und sie­he da, wäh­rend drau­ßen über­all noch gewer­kelt wird, hat das Restau­rant Tien Tan bereits wie­der geöff­net. Sehr krea­tiv sind die Maß­nah­men, mit denen man ver­sucht, mir den Besuch schmack­haft zu machen. Zur äußerst umfang­rei­chen Kar­te wer­den die pas­sen­den Essens­bild­chen auf dem Smart­phone ser­viert. Dazu wedelt der jun­ge Mann mit der abge­wetz­ten Aus­ga­be eines bekann­ten Rei­se­füh­rers, der das Tien Tan lobend erwähnt. Trotz die­ses mul­ti­me­dia­len Mar­ke­tings, ich habe ande­re Plä­ne für mei­nen letz­ten Abend in Havan­na. Wer­fe jedoch geschwind einen Blick in die Küche, ein “Beweis­fo­to” vom chi­ne­si­schen Küchen­chef und sei­ner Crew muss wenigs­tens sein.

Entrada del Barrio Chino, der Eingang zu Havannas Chinatown.
Ent­ra­da del Bar­rio Chi­no, wie viel “Chi­na” war­tet dahinter?

Mogelpackung Chinatown

Ein ein­zi­ges ech­tes Chi­na-Restau­rant, dazu ein paar wei­te­re, die sich dafür aus­ge­ben. Ein biss­chen Kon­fu­zi­us hier, ein wenig Yin-Yang da. Außer­dem die 1995 gegrün­de­te Wushu-Schu­le mit ihrer tra­di­tio­nel­len Kampf­kunst. Das ist es, was Havan­nas Chi­ne­sen­vier­tel aus­macht. Auch das Ein­gangs­tor namens “El Pór­ti­co de la Amistad” wur­de übri­gens erst 1999 errich­tet – etli­che Jahr­zehn­te also, nach­dem die Chi­ne­sen das Land längst ver­las­sen hat­ten. Aber wer weiß, viel­leicht keh­ren sie ja eines Tages zurück. Dann näm­lich, wenn es den Men­schen in Kuba gelingt, sich end­lich vom Joch der kom­mu­nis­ti­schen Dik­ta­tur zu befrei­en. Zumin­dest so lan­ge jedoch wird man hin­ter der mäch­ti­gen Pfor­te statt einer typisch-leben­di­gen Chi­na­town à la New York oder Bang­kok vor allem eines fin­den: eine gro­ße Mogelpackung!

Havannas Chinesenviertel auf einen Blick

Wo befindet sich Havannas Chinatown?

Auf der lin­ken Sei­te vom Capi­to­lio führt die Cal­le de los Dra­go­nes durch das gro­ße Tor und geht recht­erhand anschlie­ßend in die Cal­le Zan­ja über.

Lohnt sich der Besuch des Chinesenviertels?

Mög­li­cher­wei­se wird es über­ra­schen, aber auch ohne Chi­ne­sen lohnt sich der Besuch von Havan­nas Chi­na­town. Cen­tro Haba­na, wozu näm­lich auch das Bar­rio Chi­no mit dem eher gerin­gen “China­fak­tor” gehört, ist immer einen Besuch wert. Es han­delt es sich um den am dich­tes­ten besie­del­ten Teil Havan­nas, Cen­tro Haba­na ist das Herz der kuba­ni­schen Haupt­stadt. Ein span­nen­des Ziel daher für Besu­cher, die Land und Leu­te wirk­lich ken­nen­ler­nen wol­len und mehr sehen möch­ten als eine für Tou­ris­ten her­aus­ge­putz­te Fassade.

Restaurant-Tipps für Havannas Chinatown

  • Das ein­zi­ge “ech­te” Chi­na-Restau­rant: Tien Tan, Cal­le Cuch­il­lo # 17
  • Mein “Geheim­tipp”: Me gus­ta, Cal­le San Nicolás # 501, frisch und modern und so ist auch das Ange­bot an Spei­sen (hier ein Blick in die Kar­te), Emp­feh­lung für Lecker­mäu­ler: Bati­do de Hela­do, ein Milch­shake auf Eisbasis

Wushu: Chinesische Kampfkunst

Die Escue­la Cuba­na de Wushu (Web­site) befin­det sich in der Cal­le Man­ri­que # 507 (einer Sei­ten­stra­ße der Cal­le Zan­ja). Um die Übun­gen dort zu beob­ach­ten, emp­fiehlt sich ein Besuch am Morgen.

Autor, Reisereporter und Reiseblogger. Nachdem man ihn dazu gebracht hat, seine vorherige berufliche Karriere zu beenden (um das böse Wort Mobbing zu vermeiden), treibt ihn die Neugier hinaus in die Welt und er erzählt Geschichten von unterwegs.

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