Kasan ist einer der Austragungsorte der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland, die Kasan-Arena eines von 12 WM-Stadien. Bereits in den Jahren zuvor fanden in der Hauptstadt Tatarstans weitere sportliche Großereignisse statt. Mit der Schwimmerin Isabelle Härle konnte ich sprechen, sie hat sich in Kasan für Olympia qualifiziert und daraufhin einen Anruf vom Playboy bekommen. In der schmucken Kasan-Arena habe ich außerdem ein wenig den Duft der großen, weiten Sportwelt geschnuppert.
Hand aufs Herz, wer denkt an Kasan, wenn es um europäische Sportmetropolen geht? Oder anders gefragt, wer weiß überhaupt, wo dieses Kasan zu finden ist? Klären wir also zunächst die geografische Frage: Kasan ist die Hauptstadt von Tatarstan, einer autonomen Republik im Osten des europäischen Teils von Russland, gut 700 km östlich von Moskau. Die mit rund 1,2 Millionen Einwohnern achtgrößte Stadt Russlands ist ein politisches, aber auch ein religiöses, wirtschaftliches und wissenschaftliches Zentrum des Landes. Und, damit wieder zum eigentlichen Thema, auch eine bedeutende Kultur- und Sportstadt.
Rubin Kasan dürfte zumindest eingefleischten Fußballfans ein Begriff sein, allerdings ist es schon einige Jahre her, dass das Team zuletzt für Furore sorgte. 2009 konnte man in der Champions League gar den ruhmreichen FC Barcelona niederringen, es war gleichzeitig das Jahr, in dem der Verein aus Kasan letztmalig den russischen Meistertitel gewann. Seitdem ist es etwas ruhiger geworden um den Club aus der Hauptstadt der Tataren, aber vielleicht sorgt ja die bevorstehende Fußball-WM wieder für etwas Auftrieb, auch wenn im WM-Aufgebot der Russen nur zwei Spieler von Rubin Kasan stehen.
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Vom Kreml zur Kasan-Arena
Steil ragen die weiß-blauen Minarette der Kul-Scharif-Moschee in den Himmel über Kasan. Gemeinsam mit der benachbarten Mariä-Verkündigungs-Kathedrale symbolisiert die Moschee das friedliche Miteinander der Religionen in Tatarstan. Beide Gebäude, farblich aufeinander abgestimmt, sind Teil des Kasaner Kreml, der zum UNESCO-Weltkulturbe gehört und dessen älteste Bauwerke aus dem 16. Jahrhundert stammen. Damals war Kasan von den Russen erobert worden und die bis dahin bestehende Hauptmoschee wurde zerstört. Inzwischen ist die neue Kul-Scharif-Moschee die zweitgrößte in Russland, eingeweiht wurde sie am 24. Juni 2005, passend zum 1000. Jahrestag der Stadt Kasan.
Am 24. Juni 2018 nun, also auf den Tag genau 13 Jahre nach Eröffnung der Kul-Scharif-Moschee, findet eines der Vorrundenspiele der Fußballweltmeisterschaft im Stadion von Kasan statt. Die Begegnung Polen gegen Kolumbien ist dann die dritte von insgesamt sechs WM-Partien im Spielort Kasan. Im Jahr 2010 schon hatte Russland den Zuschlag für die Ausrichtung der Titelkämpfe bekommen und sich dabei gegen das Fußball-Mutterland England und weitere Bewerber durchgesetzt.
Bereits vom Aussichtspunkt neben dem Kreml ist die etwas außerhalb des Stadtzentrums gelegene Kasan-Arena zu entdecken. Das Leuchten der Spielstätte auf der anderen Seite des Flusses Kasanka ist nicht zu übersehen. Verursacht wird es von einer riesigen LED-Medienfassade an der Außenfront, mit fast 3.700 Quadratmetern ist sie die weltweit größte, über die eine Fußballarena verfügt. Im Stadion selbst finden gut 45.000 Zuschauer Platz, nach drei Jahren Bauzeit war es im Juni 2013 eröffnet worden. Rechtzeitig zur wenig später in der tatarischen Hauptstadt ausgetragenen Sommer-Universiade.
Universiade und weitere Events
Die Weltsportspiele der Studenten waren ein echtes Großereignis, die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 13.000 Athleten und Betreuer aus 163 Nationen waren 2013 in Kasan zu Gast, um sich in 27 Sportarten zu messen. Für die Organisatoren ganz sicher auch ein Prestigeprojekt, 30 der insgesamt 64 genutzten Sportstätten wurden im Übrigen sogar extra für das Event gebaut. Den Löwenanteil der Medaillen heimste dabei, wenig überraschend, Russland selbst ein, gefolgt von China und Japan. Und auch wenn die Studentenwettkämpfe nicht so im Mittelpunkt stehen wie eine Fußball-WM, waren sie doch eine erste Generalprobe für das Spektakel der Ballkünstler, auf das fünf Jahre später die ganze Welt blicken würde. Und, damit nicht genug, weitere Veranstaltungen sollten folgen und so auch Kasans Ruf als Sportstadt noch untermauern.
Schwimmrekorde im Fußballstadion
Die besten Schwimmerinnen und Schwimmer der Welt gaben sich dann 2015 in Kasan ein Stelldichein. Im Medaillenspiegel hatten diesmal die Chinesen die Nase vorn, knapp vor den USA. Und als Austragungsstätte, man höre und staune, fungierte auch wieder die Kasan-Arena. Für die Weltmeisterschaften wurde sie kurzerhand mit zwei Wasserbecken ausgestattet. Offenbar eine stimulierende Umgebung, denn zu bejubeln gab es stattliche 12 Weltrekorde – Schwimmbestleitungen im Fußballstadion, ein Novum in der Geschichte des Sports!
Doch auch außerhalb des Stadions wurde um Medaillen gekämpft. Die Kasanka, ein Nebenarm der Wolga, war Schauplatz der langen Distanzen, der Wettkämpfe im Open Water Swimming, wo es um Strecken von 5 km, 10 km und 25 km geht.
Von Kasan nach Olympia
Einige Jahre vor den Schwimmweltmeisterschaften in Kasan hatte Isabelle Härle den Wechsel vom Becken in das freie Wasser vollzogen. Eine richtige Entscheidung, wie sich zeigen sollte, denn in den Fluten der Kasanka konnte sie sich nun den Traum von Olympia erfüllen. Mit ihrem siebten Platz über 10 km qualifizierte sich Isabelle für die Spiele in Rio und als Zugabe gab es sogar noch den Mannschaftstitel über 5 km. Als Weltmeisterin von Kasan an die Copacabana nach Rio de Janeiro – wahrlich eine Erfolgsgeschichte! Zudem meldete sich der Playboy bei der Essenerin, fünf Olympionikinnen aus verschiedenen Sportarten hatte das Magazin ausgewählt. Und beim Shooting unter dem Titel “Unsere Golden Girls – Deutschlands schönste Athletinnen” war auch Isabelle Härle mit dabei.
Sportbegeisterte Tataren
Kein Wunder also, dass für Isabelle die Weltmeisterschaften von Kasan einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen. Was verbindet sie sonst noch mit der Stadt? “Die Wettkämpfe waren super organisiert und die Sicherheitsstandards hoch. Die Menschen in Kasan sind schwimmbegeistert, haben toll angefeuert und die Halle war immer voll. Es hat sehr viel Spaß gemacht, vor einer solchen Kulisse zu schwimmen.” Nur für Sightseeing war keine Zeit, bedauert Isabelle. “Neben den Wettkämpfen können wir uns leider kaum einmal etwas anschauen. Meist sehen wir die jeweilige Stadt nur vom Bus aus, so war es auch in Kasan.” Dass die tatarische Hauptstadt sehr gepflegt ist, ist ihr jedoch aufgefallen. “Es war alles sehr sauber.” Und wie war das mit dem Playboy? Der ruft schließlich nicht alle Tage an. “Also meine Oma war zuerst nicht so begeistert. Aber sonst habe ich nur postive Rückmeldungen bekommen. Ich habe es nicht bereut und würde es immer wieder machen! Es war eine tolle Erfahrung und die Fotos finde ich immer noch super schön!”
Kasan-Arena: Blick
hinter die Kulissen
Mit drei Millionen Leuchtdioden ist die Fläche von 3.622 Quadratmetern bestückt, 150 m breit und, an der höchsten Stelle, 35 m hoch. Keine Frage, auch aus der Nähe betrachtet wirkt die Hightech-Fassade der Kasan-Arena nicht minder eindrucksvoll. Doch nun hinein in die Katakomben, auf zum Ortstermin im Allerheiligsten des WM-Stadions! Zunächst ein Rundgang durch die Funktionsbereiche: Umkleideräume und Besprechungszimmer, Duschen und Entmüdungsbecken. Und, für alles ist gesorgt, im Prayer Room kann, wer möchte, auch um den Beistand höherer Mächte flehen.
Dann kurz Platz nehmen im Presseraum, einmal in die Rolle des Bundestrainers schlüpfen, der hier demnächst vielleicht wird philosophieren müssen, warum das Runde nicht ins Eckige gegangen ist. So, wie beim FIFA-Konföderationen-Pokal 2017, der allerletzten Generalprobe. Deutschland gegen Chile lautete eine der Paarungen, in Kasan gab es ein 1:1 zwischen den Teams. Anschließend in Sant Petersburg waren erneut die Chilenen die Gegner. Diesmal ging es nicht so schiedlich-friedlich zu, das Finale des Confed-Cups konnte die deutsche Nationalmannschaft für sich entscheiden.
Fußball-WM in Kasan
Nach Moskau werden sich am 15. Juli 2018 die Augen richten, standesgemäß ist die russische Metropole dann Schauplatz des Endspiels um die Fußball-WM. Die deutsche Mannschaft wird zuvor auch wieder in Kasan antreten, Südkorea ist in der Gruppenphase hier der Gegner. Und zum Viertelfinale kehrt man möglicherweise sogar noch einmal zurück in die tatarische Hauptstadt. Dass man dort vorbereitet ist, davon konnte ich mich überzeugen. Mit der Kasan-Arena erwartet die Kicker ein modernes und erprobtes Stadion und auch ansonsten lässt die Infrastruktur nichts zu wünschen übrig. Für Touristen und Fußballfans stehen Hotels in verschiedenen Preiskategorien zur Verfügung und die Restaurants von Kasan verwöhnen die Gaumen der Besucher gern mit Teigtaschen und anderen tatarischen Spezialitäten. Zudem wartet ein vielseitiges Angebot an Kultur und Sehenswürdigkeiten, eine davon ist der Kasaner Hochzeitspalast, in Anlehnung an seine sonderbare Form “Chasha” (Schüssel) genannt. Das Fan-Fest zur WM findet hier statt, mit Unterhaltungsprogramm bei kostenlosem Einritt, außerdem gibt es Public Viewing.
Eine Prognose sei zum Abschluss noch gewagt, für Kasan und für die Zeit nach der Fußballweltmeisterschaft: weitere Sportereignisse von Rang und Namen wird es dort sicher geben. In der Sporthauptstadt im Osten Europas, die dann bestimmt schon etwas bekannter sein wird. Aber zunächst werden die Titelkämpfe der weltbesten Fußballer neue Geschichten schreiben. Von Überraschungen und Enttäuschungen, von Gewinnern und Verlierern. Nur der Playboy wird diesmal bei keinem der Sportler anrufen. Das Magazin bewegt sich auf anderen Spielfeldern als einer Fußball-WM der Männer.
Fußball-Weltmeisterschaft 2018:
WM-Spiele in der Kasan-Arena
- Samstag, 16. Juni 2018, 12 Uhr: Frankreich – Australien
- Mittwoch, 20. Juni 2018, 20 Uhr: Iran – Spanien
- Sonntag, 24. Juni 2018, 20 Uhr: Polen – Kolumbien
- Mittwoch, 27. Juni 2018, 16 Uhr: Südkorea – Deutschland
- Samstag, 30. Juni 2018, 16 Uhr: Achtelfinale: 1. Gruppe C – 2. Gruppe D
- Freitag, 06. Juli 2018, 20 Uhr: Viertelfinale: Sieger AF 5 – Sieger AF 6
Zeitangaben in Mitteleuropäischer Zeit (MEZ), Zeitverschiebung in Kasan: + 1 Stunde
Hinweis: meine Reise nach Tatarstan erfolgte auf Einladung von Visit Tatarstan.
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