Katete ist ein Ort in der Ostprovinz von Sambia, an der Great East Road zwischen Chipata und Lusaka. Für mich ein Zwischenstopp auf dem Weg vom South Luangwa Nationalpark zurück in die Hauptstadt. Tikondane ist der Name eines Projekts dort, das sich dem Kampf gegen die Armut im Osten Sambias verschrieben hat. Um meine Erlebnisse in der Tiko Lodge, wo ich ein paar Tage verbracht habe, geht es. Und um die Geschichten von Menschen, deren Schicksal eng mit diesem Ort verbunden ist.
Der Bus aus Mfuwe hatte mich in Chipata abgesetzt. Nun blicke ich skeptisch in das Innere des Sammeltaxis, das an der Great East Road wartet. Es ist bereits gut gefüllt. Zwei Männer sitzen neben dem Fahrer, drei Frauen von kräftiger Statur hinten. Wie soll ich da noch reinpassen? Der Fahrer des Taxis lässt eine der Damen aussteigen. Nachdem ich drin bin, zwängt sich auch die Frau wieder hinein und der Fahrer schafft es sogar, die Tür zu schließen. Wie auch immer. Vier auf dem Rücksitz zusammengepferchte Körper sind für die Fahrt nach Katete auf Gedeih und Verderb miteinander verschmolzen.
Inhalte
- 1 Warum ausgerechnet nach Katete?
- 2 Tikondane: Wie viele Wochen bleibe ich?
- 3 Musa, der Mann mit den großen Händen
- 4 Kachipu, ein Dorf in der Nähe von Katete
- 5 Tikondane: Wie alles begann
- 6 Die Kinder von Katete
- 7 Mphangwe, der geheimnisvolle Berg
- 8 Abschied von Tikondane
- 9 Tikondane Community Centre: Infos & Tipps
Warum ausgerechnet nach Katete?
Ein abendliches Gespräch in Mfuwe hatte den Ausschlag gegeben. Im Anschluss an eine Safari im South Luangwa Nationalpark. Rosal ist Niederländerin und arbeitet in Katete als Volunteer. Sie hat den Tipp gegeben und von interessanten Geschichten und Eindrücken gesprochen, die dort warten. Und vom Tikondane Community Centre erzählt, einem bemerkenswerten Projekt. Viel mehr brauchte es nicht, um mich zu überzeugen. Mein nächstes Ziel stand fest.
Die Fahrt von Chipata nach Katete verläuft überraschend flott. Etwa 140 km/h hatte mein neugieriger Blick zwischenzeitlich auf dem Tacho erspäht. Etwas schnell für eine Straße, auf der auch Fußgänger und Radfahrer unterwegs sind. Wo zudem immer wieder Tiere auf die Fahrbahn drängen. Mein Hintern hatte allmählich angefangen zu schmerzen und auch die Beine verlangten nach einer anderen Sitzposition. Natürlich ein vollkommen aussichtsloses Begehren angesichts der Situation auf dem Rücksitz mit den drei vollschlanken Damen. Umso größer die Freude, dass ich das vollgestopfte Vehikel schneller als erwartet wieder verlassen kann.
Tikondane: Wie viele Wochen bleibe ich?
Tikondane, kurz Tiko, das sogar über eine Website in deutscher Sprache verfügt, befindet sich etwas außerhalb von Katete, etwa 2 km Richtung Lusaka. Der erste Eindruck: Fröhlich spielende Kinder, ein friedliches Bild. Meine Herberge für die nächsten Tage ist ein gemütliches Zimmer mit warmen Gelb- und Rottönen. Ich muss lachen, als Tobias, der freundliche Mann von der Rezeption, wissen möchte, wie viele Wochen ich bleibe.
Ein erster Rundgang über das Gelände von Tiko vermittelt ein Bild von beeindruckender Vielseitigkeit. Im Restaurant werden Produkte aus eigenem Anbau verwendet. Auch Tiere werden zu diesem Zweck gehalten. Hühner, Tauben, Kaninchen und Ziegen. Nsima, das traditionelle sambische Gericht mit einem Brei aus Maismehl, steht im Mittelpunkt des Speiseplans.
Außerdem wird Brot selbst gebacken sowie Erdnussbutter und Bananenmarmelade hergestellt. Was gibt es noch? Seife aus eigener Produktion. Außerdem wird gewebt und genäht. Alle Erzeugnisse kommen in einem Shop auf dem Gelände zum Verkauf. Sogar Möbel für den Eigenbedarf werden geschreinert. Außerdem gehören eine Schule und ein Saal für Versammlungen und Veranstaltungen zum Projekt.
Insgesamt 85 Menschen arbeiten in den verschiedenen Bereichen. Sie alle haben in Tiko eine Heimat und eine Aufgabe gefunden, die sie zuvor nicht hatten. Das Community Centre ist für sie zu einer großen Familie geworden. Auch Abel ist einer von den vielen freundlichen Menschen, für Finanzen und Verwaltung ist er verantwortlich. Und fragt ebenfalls, wie viele Wochen ich bleibe. Die Frage kenne ich inzwischen und auch Abel erfährt, dass es nur einige Tage sein werden.
Musa, der Mann mit den großen Händen
Musa ist ein freundlicher und hilfsbereiter junger Mann, der mich in den nächsten Tagen einige Male begleiten wird. Riesige Hände hat er von Geburt an. Was hat sich die Natur dabei gedacht? Musa erzählt aus seinem Leben. Früh ist seine Mutter gestorben, später hat er etliche Jahre auf der Straße gelebt. Hat gebettelt und gelegentlich hier oder da ein, zwei Tage gearbeitet. Für eine Mahlzeit, um zu überleben. Gehänselt und ausgelacht haben ihn die Leute wegen seiner Hände. Oft wollte er sich aus Scham einfach nur verstecken.
Vor 8 Jahren ist Musa nach Tikondane gekommen. Er war fleißig und lernwillig, hat zunächst im Garten gearbeitet, dann im Restaurant und an der Rezeption. Jetzt fungiert er als Tour Guide für Gäste der Tiko Lodge. Als DJ begleitet er Veranstaltungen für Kinder und Jugendliche. Außerdem ist er für Internet und die 6 Computer von Tikondane zuständig. Woher hat er das Wissen? Musa hat sich alles bei Freunden abgeschaut. Auch Englisch hat er so gelernt. Beliebt ist er inzwischen und wird von allen respektiert. Auch eine Frau hat er gefunden. Erst waren ihre Eltern gegen ihn, ein ganzes Jahr musste er kämpfen. Dann haben ihn die Schwiegereltern bei der Arbeit im Tikondane Community Centre gesehen. Das hat sie überzeugt. Sie haben ihn akzeptiert und sich entschuldigt. Es klingt beinahe märchenhaft, aber es ist eine wahre Geschichte, die es ohne Tikondaneso nicht gegeben hätte.
Kachipu, ein Dorf in der Nähe von Katete
Gemeinsam mit Musa besuche ich Kachipu, eines der Dörfer, die von Tikondane betreut werden. Feldwege und Pisten führen dorthin. Sandiger Untergrund und Gegenwind erschweren unsere Fahrt mit dem Rad. Im Dorf freut sich der zweijährige Benny riesig über unser Kommen. Es ist ein rührendes Bild, wie seine kleine Hand die überproportional große Hand von Musa ergreift. Plötzlich jedoch fängt er an zu weinen. Wie aus heiterem Himmel. Was los ist, will ich wissen. Aber Benny versteht mich nicht, er spricht noch kein Englisch. Weder Musa noch ich wissen, welcher Kummer den kleinen Mann überkommen hat, der eben noch so fröhlich war.
400 Einwohner hat Kachipu. Noch nicht lange ist es her, dass man hier gelernt hat, Häuser aus Ziegelsteinen zu bauen. Einige bestehen immer noch aus Lehm. Es sind einfachste Verhältnisse, Wasser gibt es lediglich an zwei, drei zentralen Stellen. Nicht nur der kühle Wind und leichter Nieselregen sorgen für triste Stimmung. Trotzdem blicke ich ich in viele lachende Gesichter. Mit einem 19-stufigen Programm hat Tikondane den Kampf gegen die Armut in diesen dörflichen Gemeinschaften aufgenommen. Um Maßnahmen gegen die chronische Unterernährung geht es dabei neben HIV/AIDS-Prävention vor allem.
Tikondane: Wie alles begann
Elke Kroeger-Radcliffe ist die Gründerin von Tikondane. Leider habe ich sie in Katete nicht persönlich getroffen, sie war gerade in Europa unterwegs. Elke ist gebürtige Deutsche, ein Film über den Holocaust hat ihre Lebenseinstellung nachhaltig geprägt. Daher wollte sie ursprünglich auch nie heiraten oder Kinder haben. Sie studiert interkulturelle Psychologie, durch ein Stipendium kommt sie nach London. Dort heiratet sie dann doch und zieht nach Sidney. Der Krebstod ihres Mannes, eines Professors, bedeutet das jähe Ende einer glücklichen Ehe und gibt ihrem Leben eine Wendung. Elke macht eine Ausbildung als Krankenschwester und geht nach Afrika. In Katete arbeitet sie im St. Francis Hospital. Auch Lese- und Schreibkurse bietet sie dort an, lernt jedoch schnell, dass dies nicht das dringendste Bedürfnis der Menschen hier ist. Das ist der Beginn von Tikondane, ins Englische übersetzt “let´s love together”.
Die Kinder von Katete
Mehrfach statte ich Katete einen Besuch ab, um mich dort umzuschauen. Bereits auf dem Weg gibt es neugierige Blicke. Einige Leute lachen und grüßen. Viele Fahrradtaxis mit einer schmalen Sitzbank anstelle eines Gepäckträgers sind unterwegs. Ein beliebtes Verkehrsmittel, um die teilweise langen Strecken zu bewältigen. Für die, die es sich leisten können. Die anderen gehen zu Fuß.
Im Ort bin ich der einzige Weiße. Natürlich gibt es auch hier viel Aufmerksamkeit für mich. Es scheint, als hätten manche noch nie einen Menschen mit weißer Hautfarbe gesehen. Zumindest für das eine oder andere Kleinkind, das bei meinem Anblick zu weinen beginnt, wird das zutreffen. Am folgenden Tag sind es weniger Blicke, so kommt es mir jedenfalls vor. Möglicherweise liegt es an der dunklen Jacke, die jetzt zumindest meine Arme bedeckt. Es war noch etwas kühler geworden.
Auffällig ist der hohe Anteil an Kindern, die in Katete Stores unterwegs sind. Der Name des Ortsteils weist darauf hin, ein Markt und diverse Geschäfte prägen das Bild. Viele der Kinder laufen barfuß herum, in schmuddeliger, löchriger Kleidung. Auf eine gewisse Art wirken sie bereits erwachsen. Manche von ihnen in einem Alter, in dem man sie in Deutschland noch wohlbehütet in den Kinderwagen stecken würde.
Mphangwe, der geheimnisvolle Berg
Eine wolkenverhangene Bergkulisse bestimmt das Panorama von Katete. Mphangwe ist der Name der Erhebung, die sogar das Wetter in der Gegend beeinflusst, so heißt es. Kobras und Pythons gäbe es dort. Ich würde nicht wieder von dort zurückkehren, kriege ich im Ort zu hören. Aber ich vertraue Musa, der kennt sich aus.
Und tatsächlich ist von riesigen Schlangen weit und breit nichts zu sehen, als wir uns am Sonntagmorgen aufmachen, den Mphangwe zu erklimmen. Einige Vögel werden aufgeschreckt, das sind die einzigen Tiere, die sich blicken lassen. Oben angelangt gibt es jedoch nicht viel zu sehen. Wir befinden uns inzwischen oberhalb der Waschküche, eines Mix aus Wolken und Nebel, das die Spitze des Bergs umgibt. Ein Ausblick in die Landschaft ist nur auf halber Strecke möglich.
Abschied von Tikondane
Nach vier Tagen stehe ich wieder an der Great East Road. Auf den Bus wartend, der mich von Katete nach Lusaka, die Hauptstadt, bringt. Ferdinandleistet mir Gesellschaft. Er arbeitet im Garten des Community Centre, sie haben ihn wohl geschickt, damit mit dem Bus auch alles klappt. So kümmert man sich um die Familienmitglieder. Und ein bisschen habe ich ja auch dazugehört.
Ferdinand trägt einen blauen Kapuzenpulli mit der Aufschrift Humboldt-Gymnasium Berlin-Tegel. Dort unterstützt man seit vielen Jahren die Arbeit von Tikondane, insbesondere der Bau der Schule wurde wesentlich gefördert. Welches Schicksal Ferdinand wohl widerfahren ist, bevor er nach Tikondane gekommen ist? Aber es ist keine Zeit mehr für weitere Geschichten, in der Ferne ist der Bus bereits zu sehen.
Ein ganzes Buch ließe sich über Tikondane und seine Menschen schreiben. Mit 85 Kapiteln, für jedes Mitglied der Familie ein neues. Jeweils eine ganz persönliche Geschichte. Das sechsundachtzigste Kapitel wäre Elke Kroeger-Radcliffe gewidmet. Dieser starken Frau mit der klaren Vision, ohne die es das Tikondane Community Centre nicht gäbe. Nur bräuchte es für das Schreiben des Buches über “das wahre Afrika” dann aber tatsächlich einige Wochen.
Tikondane Community Centre: Infos & Tipps
Anreise: Von Lusaka mit dem Bus kommend etwa 2 km vor Katete absetzen lassen. Aus Richtung Mfuwe und Chipata mit dem Bus oder Sammeltaxi kommend etwa 2 km hinter Katete.
Unterkunft: Mehrere Optionen. Zelte, Dorms und Zimmer in verschiedenen Preiskategorien.
Aktivitäten: Diverse Ausflüge in die Umgebung und Teilnahme an Aktivitäten von Tikondane wie Herstellung von Erdnussbutter oder Seife. Weitere Infos ebenfalls unter obigem Link. Wer als Volunteer für Tiko tätig sein möchte, findet hier nähere Details. Und selbstverständlich sind auch Spenden für das Tikondane Community Centre sehr willkommen.
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Hi Elke, I am very pleased that you like my article! 😉
Just wondering why do you want to translate it? You can use Google translator on the right side of the page if you like.
Hi Wolfgang
Google translator is pretty useless actually. You need a great deal of imagination to understand the gobbledigook.
No: your blog is worth more than that. We will see that its translated into English English.
I really liked it. . I have just put the link in our newsletter. Great coincidence that you met Rosal at Flat Dogs.
Regards
Anne Steenhauer
Secretary, Tikondane Foundation NL
tikondanefoundation@gmail.com
Ein toller Bericht! Ich fahre im November mit meiner Familie nach Tikondane, und freue mich schon sehr darauf!!!