Weihnachten in Bangkok: Ist zwischen Wolkenkratzern, Tempeln und Rotlichtvierteln Platz für Weihnachtsbäume oder Krippenspiel? Die meisten Menschen in Thailand sind Anhänger der buddhistischen Lehre, einer Religion, die kein Christfest kennt. Ich habe mich auf eine weihnachtliche Spurensuche begeben – in Bangkok, das auch Stadt der Engel genannt wird.
Bangkok gehört zu den meistbesuchten Städten der Welt und der Monat Dezember fällt in die Hauptsaison. Die Regenzeit ist vorbei und die thailändische Hauptstadt empfängt ihre Gäste mit Sonne und tropischen Temperaturen jenseits der 30-Grad-Marke. Besinnliche Festtage sind in dem meist lauten und chaotischen Moloch allerdings nur schwer vorstellbar. Und wer sich jetzt aufmacht, um in Thailands Millionenmetropole dem europäischen Winter zu entfliehen, ist ganz sicher darauf eingestellt, auf Weihnachtsmarktbesuch und Glühweingenuss zu verzichten.
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O du fröhliche Chinatown!
Menschenmassen schieben sich durch ein Gewirr enger Gassen. Ich lasse mich hineintreiben in einen Laden mit bunten Dekoartikeln: farbigen Kugeln und leuchtenden Sternen, glitzernden Schneemännern und roten Weihnachtskostümen. Ein eisiger Hauch von fernem Winter liegt auf einmal in der Luft, die Klimaanlage hier drinnen läuft auf Hochtouren. Als ich versehentlich gegen zwei Figuren stoße, fangen die mit Musikinstrumenten ausstaffierten Weihnachtsmänner prompt an, ein Lied zu spielen und wackeln dabei lustig hin und her. O du fröhliche Chinatown!
Ende des 18. Jahrhunderts gegründet, handelt es sich bei dem Stadtteil um das weltweit größte Chinesenviertel im Ausland, ein Gegenentwurf findet sich in Kubas Hauptstadt (Lesetipp: Hinter den Kulissen von Havannas Chinatown). Bekannt ist der Touristenmagnet vor allem für vielfältige kulinarische Genüsse. In manchen Garküchen wird Geflügel gebraten, geröstete Ente ist das Nationalgericht der Chinesen. Wer bei dem brutzelnden Federvieh eher an Weihnachtsente oder Weihnachtsgans gedacht hat, befindet sich also auf dem Holzweg. Übrigens sind auch die chinesischstämmigen Thailänder größtenteils Buddhisten, Ahnenkult und Verehrung lokaler Gottheiten sind außerdem Teil ihres Glaubens. Für das Weihnachtsfest ist dort jedoch kein Platz – Weihnachtsdeko hin, Weihnachtsdeko her.
Farbe des Lebens und des Glücks
Rot ist allgegenwärtig in Chinatown wie auch überall sonst, wo chinesischer Einfluss spürbar ist. Rot ist die Farbe der typisch chinesischen Lampions und auch anderer Artikel, die zum Verkauf stehen. Auffällig sind außerdem die vielen Schweine, kleine und große, ebenfalls in roter Farbe. Was hat es mit den Stofftieren auf sich? Das chinesische Horoskop umfasst zwölf Tierkreiszeichen und jedes Jahr steht im Zeichen eines dieser Tiere. Das nächste, Beginn ist gemäß chinesischem Kalender am 5. Februar, wird nun das Jahr des Schweins sein. Gefeiert wird das neue Jahr in Thailand gleich mehrfach. Zunächst am 1. Januar, dann Anfang Februar, Stichwort chinesischer Kalender, und schließlich im Rahmen des traditionellen Neujahrsfests Songkran im April (Lesetipp: Songkran in Phuket: Traditionelle Bräuche und wilde Wasserschlachten).
Und was ist mit der Farbe? Was hat es nun auf sich mit dem vielfach ins Auge fallenden Rot, das trotz Weihnachtsmannkluft gleicher Couleur doch nichts mit Weihnachten zu tun hat? Rot ist für die Chinesen die Farbe des Lebens und bringt Glück. Mit Rot verbinden sie Wachstum, Freude und Liebe. Es soll außerdem böse Kräfte abhalten und Energie vermitteln. Kein Wunder also, dass Rot bei ihnen die beliebteste aller Farben ist!
Weihnachtliches Bangkok
Momentaufnahme in einer der Shopping Malls von Bangkok: Ein Weihnachtsmann heißt dort die Kunden willkommen, die große Figur aus Kunststoff mit Rauschebart und roter Mütze steht direkt am Eingang. Begeistert läuft ein kleiner Junge zu ihm hin, um sich vergnügt von seiner Mutter ablichten zu lassen. Nur eine von vielen solcher Szenen, die sich im Zentrum Bangkoks abspielen. Überall nämlich finden sich Weihnachtsbäume, einer größer als der andere, und festliche Dekorationen in der Stadt, die eigentlich kein Weihnachtsfest kennt. Dass es dabei nicht immer ganz stilgerecht zugeht, verrät spätestens ein amüsierter Blick auf den überdimensionalen Hasen, der vor Bangkoks bekanntem Einkaufszentrum MBK einem bunten Baum Gesellschaft leistet.
Auch im Inneren der Konsumtempel setzt sich die unerwartet weihnachtliche Stimmung fort, dafür sorgt die aus den Lautsprechern rieselnde Musik. Heißt es hier “Santa Claus is coming”, träumt man ein paar Meter weiter von “white Christmas”, während kurz darauf der gesäuselte Refrain “Noël Noël” lautet. Irgendwann vermischen sich die Klänge zu einem nur schwer erträglichen Weihnachtspotpourri und der genervte Autor flieht hinaus an die schwül-warme frische Luft. Puuuuuh, dieses Weihnachten in Bangkok kann ganz schön anstrengend sein!
Stille Nacht in Bangkok?
Auch nachts sind Bangkoks Straßen meist noch von dichtem Verkehr verstopft. Auf vielspurigen Fahrbahnen reihen sich Autos zu scheinbar endlosen Lichterketten aneinander, während riesige Videowände und bunte Leuchtreklamen die nächtliche Metropole illuminieren. Stille Nacht? Nicht in Bangkok, das zu den Städten gehört, denen man nachsagt, dass sie niemals schliefen.
In Bang Rak, fernab der beliebten Viertel rund um die geschäftige Sukhumvit Road oder die als Backpacker-Straße bekannte Khao San Road, habe ich mein Quartier aufgeschlagen. Wenige Meter entfernt von der BTS-Skytrain-Station Saphan Taksin sowie dem Sathorn Pier, einer Anlegestelle für die Boote, die den Chao Phraya befahren. Chinatown ist von Bang Rak aus zu Fuß erreichbar und mit Thonburi befindet sich ein weiteres interessantes Ziel in Reichweite, direkt auf der anderen Seite des Flusses. Kurzum, für mich ist es der ideale Standort, um die Stadt zu erkunden. Ach ja, Bang Rak bedeutet übrigens so viel wie Ort der Liebe, gäbe es also einen passenderen Ort für den Aufenthalt während der Weihnachtstage?
Singende Kinder in Schuluniformen ziehen in den Tagen vor Weihnachten in Bang Rak durch die Straßen. Nanu, was ist da los? Die Auflösung: Bei der Schule in der Nachbarschaft handelt es sich um eine christliche Anstalt, die aber auch Buddhisten offen steht, und gemeinsam stimmt der Schülerchor nun Weihnachtslieder an, wie jedes Jahr. Auch das ist Weihnachten in Thailand – eine überraschende Seite!
Heiligabend in Bangkok
Wen fern der Heimat weihnachtlich-kulinarische Gelüste plagen, wird übrigens Bei Otto in der 1938 Petchaburi Road (neue Adresse seit Ende September 2021, vorher: Sukhumvit Soi 20) fündig , wo Lebkuchen oder “Marzipan Potatoes” erhältlich sind, und wo es am Heiligen Abend ein “Christmas Buffet” mit Weihnachtsgans und anderen Leckereien gibt. Und manch einer wiederum wird vielleicht im Beer Garden in der Sukhumvit Soi 7 seinen persönlichen Weihnachtsengel finden. Denn neben Western Food wie Bratwurst und Schnitzel warten dort auch aufgeschlossene Damen darauf, die männlichen Gäste mit ihrer Gesellschaft zu beglücken.
Ich hingegen bin zu einem waschechten thailändischen Weihnachtsschmaus geladen. Bei meiner Gastgeberin, die sich überraschenderweise als Katholikin outet. Lamm und Meeresfrüchte werden aufgetischt, dazu gibt es reichlich kaltes Bier und die Stimmung ist eher lustig als besinnlich. So lasse ich mir Weihnachten in Bangkok gefallen, das ansonsten vor allem ein Konsumfest mit Kitsch und Kommerz ist. Es könnte sein, dass das dem einen oder anderen in der fernen Heimat bekannt vorkommt.
Weihnachten in Bangkok – auf einen Blick
Vier ergänzende Leseempfehlungen:
- Tipps und Infos rund um Weihnachten und Silvester in Bangkok von einem echten Insider
- Der Insider-Reiseführer für Bangkok enthält 555 Tipps (nicht nur für Weihnachten)
- In Bangkok kann man preiswert und gut essen. Der Bangkok Year-End Guide (auf Englisch) zeigt, dass man dafür auch richtig viel Geld ausgeben kann (wenn man will)
- Ein weiterer Erfahrungsbericht unter dem Titel Bangkok: Stille Nacht, Shopping lacht
- Weihnachten außerhalb Bangkoks: Ban Ta Rae in Sakon Nakhon, im Nordosten Thailands, ist die größte katholische Gemeinde des Landes. Dort findet seit 1982 eine weihnachtliche Prozession statt, die Christmas Star Procession
Weitere bunte Bilder schließen die Geschichte aus dem weihnachtlichen Bangkok ab.
Den Konsum haben sie in Bangkok gut einverleibt – und damit ja auch 80% von dem was man bei uns so an Weihnachten sieht…
Biste Silvester auch dort?
Eben. So groß ist der Unterschied nicht … 😉
Silvester? Weiß ich noch nicht, bin eh schon länger hier als eigentlich gedacht … 😀